In den letzten Monaten habe ich in meiner Funktion als Präsident der Bundesingenieurkammer viele Veranstaltungen besucht, Gespräche geführt und den Austausch mit den Länderkammern und ihren Mitgliedern gesucht. Ganz gleich, ob das politische Brüssel oder Berlin: Zentrale Themen sind und bleiben die Nachhaltigkeit und die Digitalisierung. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass beide Themenfelder einander bedingen. Ressourcenschonendes Bauen wird praktisch bei jeder Neubau- und Sanierungsmaßnahme relevant. Daten zur Ökobilanz sind Grundlage, um die Umweltwirkungen ausweisen zu können. Dies ist wiederum mit einem deutlich höheren Informationsbedarf verbunden. Ohne den Einsatz von digitaler Planung ist es nicht möglich, den Informationshunger zu stillen und die Daten entlang des Lebenszyklus eines Bauwerks adäquat nachzuhalten. Das Erzeugen und die Verwaltung von Informationsmodellen werden heute nicht mehr als eine hilfreiche Ergänzung diskutiert, sondern als Teil des Pflichtenheftes.
Ich habe keine Angst, dass auch kleine und mittelgroße Ingenieurbüros in der Lage sind, sich dahingehend anzupassen. Es gehört zur DNA des Berufsstandes, sich entlang gesellschaftlicher und technischer Anforderungen weiterzuentwickeln. Vielmehr sehe ich die Gefahr, dass sich viele der Dynamik dieser Entwicklung nicht bewusst sind. Themen der Ökobilanzierung gehören künftig zur grundlegenden Qualifizierung unseres Berufes. Wer sich nicht nach und nach aus Geschäftsfeldern und -prozessen verabschieden möchte, muss ressourcenschonendes Bauen und die Digitalisierung des Planens im Ingenieuralltag leben. Ich möchte alle ermuntern, die beschriebenen Veränderungen als lebenslanges Lernen zu verstehen. Und wie beim Nutzen eines Autos oder Smartphones sollten wir die hilfreichen Verbesserungen der neuen Modelle in den Fokus rücken, anstatt dem Alten, dem Gewohnten nachzutrauern.
Wir Kammern bieten vielfältige Möglichkeiten an, um sich weiterzubilden. In unterschiedlichen Veranstaltungsformaten und im Austausch begleiten wir die Mitglieder. Gemeinsam mit den Architekten haben wir uns 2020 auf ein Fortbildungsformat verständigt, den „BIM Standard Deutscher Architekten- und Ingenieurkammern (SDAIK)“. Zudem haben Bundesingenieurkammer und Bundesarchitektenkammer die Qualifizierungsoffensive „Fit for Nachhaltigkeit“ initiiert.
Ich kann Sie nur auffordern: Werden Sie nicht zum Zuschauer von Entwicklungen, sondern Teil und Lösung des Prozesses.
Ihr Dr.-Ing. Heinrich Bökamp
Präsident der Bundesingenieurkammer
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