Die Errichtung und Nutzung von Gebäuden sind laut UN weltweit für etwa 37 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. 9 Prozent der Emissionen entstehen durch die Nutzung fossiler Brennstoffe, 19 Prozent indirekt bei der Erzeugung von Strom und Wärme, die in Gebäuden genutzt wurden. Die übrigen 9 Prozent wurden im Bausektor ausgestoßen. In Deutschland gehen rund 40 Prozent der CO2-Emissionen auf das Bauen, Wärmen, Kühlen und Entsorgen unserer Gebäude zurück. Auf den Infrastrukturbereich, einschließlich Verkehr und Transport, entfallen rund 25 Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen in Europa. Gleichzeitig wird aber deutlich mehr Wohnraum benötigt und es muss massiv in die Infrastruktur für die Zukunftsfähigkeit des Landes investiert werden. Wie aber lassen sich ambitionierte Klimaziele erreichen, ohne dass die Ressourcen weiter im bisherigen Maße verbraucht werden?
Hierzu braucht es in vielen Bereichen ein Umdenken, um die notwendige Bauwende umzusetzen. Die Potentiale erstrecken sich über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks. Die Energieeffizienz eines Gebäudes ist eine davon. Die Reduktion von CO2 im Gebäude- und Bausektor sollte zudem über das Bauen im Bestand, die klimagerechte Sanierung und Kreislauffähigkeit von Baustoffen erfolgen. Die Bundesingenieurkammer fordert deshalb, die regulatorischen Rahmenbedingungen anzupassen und Anreize zu schaffen. Zudem muss auf die Forschung und Entwicklung im Bereich des ressourcenschonenden Bauens mehr Augenmerk gelegt werden. Die Innovationskraft des Bauingenieurwesens sollte genutzt und gezielt gefördert werden.
Initiativen der Bundesregierung
Die Klimarunde BAU ist ein Zusammenschluss wesentlicher Teile der Wertschöpfungskette Bau in Deutschland. Ziel ist, Klimaschutzpotenziale im Baubereich zu erkennen und zu heben. Der Wissenstransfer und Austausch, auch mit der Politik, stehen im Mittelpunkt. Die Partnerinnen und Partner der Klimarunde BAU sind sich darüber einig, Klimaneutralität im Bausektor zu erreichen. Die Bundesingenieurkammer gehört der Klimarunde BAU an.
Die „Roadmap Energieeffizienz 2045“ verfolgt als zentrales Dialogforum der Bundesregierung das Ziel, die Energieeffizienz voranzutreiben und die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen. Die Roadmap ist Teil der deutschen Energieeffizienzstrategie unter Federführung des Bundesminsiterium für Wirtschaft und Klimaschutz. Im Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft sollen konkrete Instrumente und Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz entwickelt werden.
Die Bundesingenieurkammer gehört den Plattformen an.
Umsetzungsstrategien: nachhaltiges Planen und Bauen
Gebäudeförderung: GEG, BEG und Nachhaltigkeitsbewertung
Um Nachhaltigkeitsaspekte und die gleichzeitige effektive Reduktion des CO2-Ausstoßes von Gebäuden voranzubringen, bedarf es eines einfachen und effektiven Bewertungssystems der Förderung. Dabei sollte die Konzentration auf Nachhaltigkeitskriterien mit großer Auswirkung auf CO2-Minderung liegen. So kann flächendeckend bei einer großen Anzahl von Gebäuden, und insbesondere auch bei kleineren Gebäuden, eine erhebliche CO2-Reduktion bewirkt werden.
Geeignete Nachhaltigkeitskriterien liegen nach Ansicht der Bundesingenieurkammer insbesondere in den Bereichen Baustoffe und Ökobilanzierung sowie Bauphysik, Wärme-, Tauwasserschutz und Energieeffizienz. Das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) und das Qualitätssiegel Nachhaltiges Bauen (QNG) können hierfür als Grundlage herangezogen werden.
Die Bewertung sollte einfach und unbürokratisch von qualifizierten Experten durchgeführt werden. Durch Qualifizierungsmaßnahmen der Ingenieurkammern zu aktuellen Anforderungen können Planung und Beratung im Sinne des Klima- und Verbraucherschutzes kontinuierlich sichergestellt werden. Dazu sind jedoch zuverlässige Förderbedingungen notwendig, die unbürokratisch und wirtschaftlich umsetzbar sind sowie von KfW und BAFA zeitnah bearbeitet werden können. Ein Stufenmodell der Förderung (z. B. Basis- und Premiumförderung) sowie Anreize für zusätzliche Kriterien sind sinnvolle Ergänzungen. Die Länderkammern werden ihre Angebote für Fort- und Weiterbildungen kontinuierlich ausbauen.
Qualifizierungsoffensive „Fit for Nachhaltigkeit“
Gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer wurde die Qualifizierungsoffensive „Fit for Nachhaltigkeit“ initiiert. Die Bundeskammern stehen im Austausch mit dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, um eine flächendeckende und niedrigschwellige Nachhaltigkeitsberatung im Sinne des Verbraucherschutzes für die nächsten Jahrzehnten sicherzustellen.
Um die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten bei der Umsetzung von Bauprojekten zu beschleunigen, untersucht das BMWSB aktuell die Einführung eines möglichst niedrigschwelligen QNG-Anforderungsniveaus. Möglich wäre eine Förderstufe unterhalb von QNG-PLUS. Der Standard QNG-BASIS könnte ordnungsrechtlich geutzt werden, um ein Mindestmaß an Nachhaltigkeit in der Planungs- und Baupraxis flächendeckend zu verankern.
Die Initiative „Fit for Nachhaltigkeit“ sieht auch die Einrichtung eines kammergeführten „Bundesregisters Nachhaltigkeit“ vor. Ein Eintrag in das Register bringt die Nachweisberechtigung für eine künftige Förderstufe QNG-BASIS mit sich. Eine Mitgliedschaft in den Kammern ist nicht zwingend notwendig. Der qualitätsgesicherte Experten-Pool des Bundesregisters wäre wesentliche Grundlage eines ordnungsrechtlich verankerten Standards QNG-BASIS. Das kammergeführte Bundesregister stellt dann im Interesse des Verbraucherschutzes die Qualität der in die geförderten Projekte einzubindenden Nachhaltigkeitsplanerinnen und -planer sicher. Es übernimmt somit die Bündelungsfunktion für KfW und BAFA und schafft Transparenz für Bauherren. Das vorgeschlagene Bundesregister Nachhaltigkeit ergänzt die Energieeffizienz-Expertenliste. Die Nachhaltigkeitsplanerinnen und -planer des Registers ersetzen nicht den Energieeffizienzexperten.
Ganzheitliche, unabhängige Energieplanung
Die Ingenieurkammern verwalten bereits heute eine Überischt mit unabhängigen Energieeffizienz-Planerinnen und -Planer in den 16 Bundesländern. Die Verbraucher können über die jeweiligen Listen der Länderkammern nach Ingenieurinnen und Ingenieure suchen, die eine ganzheitliche und unabhängige Energieberatung anbieten. Über das reguläre Tätigkeitsfeld hinaus, verfügen die hier verzeichneten Expertinnen und Experten über ein ganzheitliches Wissen rund um das energieeffiziente Bauen. Ihre Energieberatung beschränkt sich gerade im Umbau und bei der Sanierung nicht nur auf Empfehlungen zu Einzelmaßnahmen, sondern es wird ganzheitlich untersucht, welche Sanierungsmaßnahmen wirklich sinnvoll sind. Darüber ist es ihnen möglich, eine nachhaltige und reale Energieeinsparung aufzuzeigen, die im sinnvollen Aufwand-Nutzen-Verhältnis steht.
Auf den Seiten der Landesingenieurkammer befinden sich jeweils die Listen der Expertinnen und Experten.
Kommunale Wärmeplanung
Ziel einer kommunalen Wärmeplanung ist es, für Gemeinden eine ökologische, ökonomische, sozial verträgliche und versorgungssichere Wärmelösung anzustreben. Mit Abschluss der kWP weisen die Gemeinden dann entsprechende Gebiete aus, die künftig vorzugsweise mit einem Wärmenetz oder mit einem Gasnetz (grünes Gas und Wasserstoff) oder mit Einzelversorgungslösungen zu versorgen sind.
Die Bundesingenieurkammer begrüßt das Vorgehen des Gesetzesgebers, die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, um die nationalen Beschlüsse zum Klimaschutz nun auf kommunaler Ebene realisieren zu können. Wichtig ist dabei, unterschiedliche Gesetze mit gleichem Anwendungsbereich aufeinander abzustimmen. So ist eine enge Verzahnung des Wärmeplanungsgesetzes und des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) notwendig.
Da es sich bei der Wärmeplanung um eine technisch geprägte Aufgabe handelt, die entsprechendes Fachwissen und Erfahrung voraussetzt, empfiehlt es sich Ingenieurinnen und Ingenieure hinzuzuziehen. Im Sinne des Verbraucherschutzes sollte darauf geachtet werden, dass bei beratenden Aufgaben die Beauftragten frei von eigenen Produktions-, Handels- und Lieferinteressen sind. Dies gewährleisten Beratende Ingenieure, da ihre gesetzliche Berufsaufgabe entsprechend definiert ist.
Holzbauinitiative der Bundesregierung
Im Juni 2023 verabschiedete das Bundeskabinett den von Bundesbauministerin Klara Geywitz und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir vorgelegten Entwurf einer Holzbauinitiative. Die Strategie der Bundesregierung hat zum Ziel, den Einsatz des nachhaltigen Rohstoffes Holz im Bausektor zu stärken. Sie umfasst acht Handlungsfelder und soll bis 2030 die Holzbauquote erhöhen. Die Handlungsfelder sehen eine Vorbildfunktion des Bundes sowie die Stärkung von Forschung und Innovation vor. Sie umfassen zudem die Fachkräftesicherung und den Wissenstransfer sowie die Sicherung der Rohstoffversorgung.
Kernelement ist dabei ein regelmäßiger Runder Tisch „Holzbau des Bundes“ zum Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch. Die Bundesingenieurkammer gehört der Plattform an und ist Kooperationspartner von Veranstaltungen.
Kreislaufwirtschaft
Damit mehr Baustoffe wiederverwendet werden, braucht es vor allem geänderte gesetzliche Regelungen – das ergab auch eine Umfrage, die die Bayerische Ingenieurekammer-Bau im Dezember 2022 durchführte. Fast die Hälfte aller Befragten (48 %) sah dies als zentrale Stellschraube, um das nachhaltige Bauen zu stärken. Denn das, was heute als Abfälle bezeichnet und so behandelt wird, sind eigentlich Rohstoffe, die einer neuen Verwendung zugeführt werden sollten.
„Mit der jetzigen Regelung wird die mobile Aufbereitung von Baustoffen enorm erschwert bis unmöglich gemacht. Dabei könnten gerade mineralische Baustoffe unkompliziert wiederverwendet werden“, sagt Prof. Dr. Norbert Gebbeken, der Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau. „Bestandsgebäude sind kostbare Rohstofflager!“
Digitaler Gebäuderessourcenpass
Über einen digitalen Gebäuderessourcenpass GRP können umweltbezogene Informationen über das Gebäude und die Art und Menge der darin verbauten Materialien und Bauprodukte digital erfasst werden. So könnten zukünftig das Ressourcenmanagement (Art und Umfang des Ressourcen- und Energieverbrauches bei der Herstellung und bei der Nutzung) und die Kreislaufführung (Informationen zur Verwendung und Verwertung der jeweiligen Produkte und Stoffe) unterstützt werden. Hierzu initiierte das Bundesbauministerium eine Arbeitsgruppe Gebäuderessourcenpass, der die Bundesingenieurkammer angehört.
Der Einsatz in der Praxis dient bisher in erster Linie dem Zugang zu Finanzierungsinstrumenten. Doch der GRP könnte zukünftig zum integralen Bestandteil der Planung von Um- und Neubauten werden. So strebt die Bundesregierung die Einführung eines digitalen Gebäuderessourcenpasses zunächst für Bundesbauten bereits in naher Zukunft an. Um eine größere Verbreitung in einem zweiten Schritt zu erreichen, wird über Fördermaßnahmen nachgedacht.
Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel
Angesichts zunehmender Hitzeperioden im Wechsel mit Starkregenfällen begrüßt die Bundesingenieurkammer Maßnahmen zur Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel. Sie fordert, zügig neue Wege bei der Planung von Städten und Gemeinden einzuschlagen. Bei der Planung muss darauf geachtet werden, dass zumindest die Resilienz kritischer Infrastrukturen verbessert wird.
Auch wenn sich viele Städte und Gemeinden bereits auf den Weg gemacht haben, ist Deutschland noch weit davon entfernt auf langanhaltende hohe Temperaturen und starke Regenfälle vorbereitet zu sein. Hier muss dringend ein Umdenken erfolgen, bei dem Ingenieurinnen und Ingenieure mit ihrem Wissen helfen können. Wichtig ist seitens der Politik, die Städte und Kommunen schnell in dem Prozess zu unterstützen – finanziell, aber auch personell. Es gilt, zügig und vorausschauend zu handeln, damit wir für die Zukunft besser aufgestellt sind.
Vorschläge der Bundesingenieurkammer für klimaresilientere Städte und Gemeinden:
– bessere Durchlüftung von Städten durch mehr Freiluftschneisen
– Beschattung von Straßen und Plätzen
– Begrünung von Frei- und Verkehrsflächen
– Entsiegelung
– Stadt-, Verkehrs- und Entwässerungsplanung gemeinsam denken
– Rückhaltung/Retention durch offene Entwässerungssysteme und Dachbegrünung als sinnvolle Ergänzungen der klassischen Stadtentwässerung
– Mehrfachnutzung von Parks oder Sport- und Spielplätzen, z. B. als Notüberlauf
– Verkürzung von Abstimmungsprozessen
EU-Politik: nachhaltiges Planen und Bauen
Die Bundesingenieurkammer unterstützt das Ziel, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen, den sogenannte „European Green Deal“. Dies ist ein entscheidender Beitrag zum Klimaschutz, den die Europäische Union und die Welt gemeinsam bewerkstelligen muss. Weitere Vorhaben sind das „Fit for 55 Package“ oder „New European Bauhaus“. Auch den Gebäudebestand gilt es europaweit zu renovieren und somit energieeffizienter zu gestalten.
Um die Mitgliedstaaten nachhaltig zukunftssicher auszurichten, braucht es schnell kluge und innovative Lösungen. Die Maßnahmenpakete der Europäischen Union werden jedoch nur erfolgreich sein, wenn die Expertise von Ingenieurinnen und Ingenieure herangezogen wird. Die Zukunft eines vereinten Europas wird von den Ingenieurkammern mitgestaltet, auch und gerade im Hinblick auf den Klimaschutz.
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