Die Europäische Kommission hat am 10. Januar 2017 weitere Maßnahmen im Rahmen ihrer Binnenmarktstrategie vorgestellt. Neben Empfehlungen für nationale Reformen bei der Regulierung von Berufen gehört dazu auch der Vorschlag zur Einführung einer Elektronischen Dienstleistungskarte.
Trotz anderweitiger Beteuerungen der Kommission sieht das Verfahren der Elektronischen Dienstleistungskarte nun doch das sogenannte „Herkunftslandprinzip“ vor. Das heißt, ein im Herkunftsland ausgestelltes Dokument soll ausreichen, um im Aufnahmeland Dienstleistungen anbieten zu können. Dies birgt aus Sicht der Bundesingenieurkammer das Risiko, dass zwingend einzuhaltende gesetzliche Vorgaben im Aufnahmestaat umgangen werden können. Neben der Aushöhlung sozialer Standards und notwendiger regulatorischer Anforderungen könnten damit auch konkrete Gefahren für die Verbraucher verbunden sein. Denn nicht alle Mitgliedsstaaten sehen dieselben hohen Standards vor. Die übrigen Vorhaben erzeugen eher ein Mehr an Bürokratie, was auch den Grundsätzen, die sich die Kommission selbst auferlegt hat, widerspricht. Die Vorhaben der KOM stießen bereits im Vorfeld auf massiven Widerstand, vor allem seitens der Regierungen von Deutschland und Frankreich.
Die vorgestellten Maßnahmen im Einzelnen
Elektronische Europäische Dienstleistungskarte
Ein vereinfachtes elektronisches Verfahren soll es Dienstleistern, wie z. B. Ingenieurbüros, künftig erleichtern, die notwendigen Verwaltungsformalitäten für eine Dienstleistungstätigkeit im Ausland zu erfüllen. Unterschieden wird dabei in lediglich temporär in einem Drittstaat zu erbringende Dienstleistung und den Fall des Dienstleisters, der sich im Gastgeberland dauerhaft niederlassen möchte. Dienstleistungserbringer sollen demnach künftig nur einen einzigen Ansprechpartner in ihrem Heimatland und in ihrer eigenen Sprache haben. Dieser prüft die erforderlichen Informationen und leitet sie an den Aufnahmemitgliedstaat weiter. Der Aufnahmemitgliedstaat bleibt aber zuständig für die Anwendung der nationalen Vorschriften und für die Entscheidung, ob der Antragsteller in seinem Hoheitsgebiet Dienstleistungen anbieten darf.
Verhältnismäßigkeitsprüfung der nationalen Vorschriften für reglementierte Berufe
Für die Reglementierung oder Liberalisierung freier Berufe ist die EU nicht zuständig. Dies ist nach wie vor Vorrecht der Mitgliedstaaten. Allerdings muss ein Mitgliedstaat nach EU-Recht nachweisen, dass neue nationale Vorschriften für Freiberufler notwendig und angemessen sind. Die Kommission will ein einheitliches und konsequentes Vorgehen sicherstellen, indem sie nun eine Verhältnismäßigkeitsprüfung des Inhalts vorschlägt, wie die Mitgliedstaaten bei dieser Prüfung vorgehen müssen, bevor sie ihre nationalen Vorschriften für freiberufliche Dienstleistungen erlassen oder ändern.
Leitlinien für nationale Reformen bei der Reglementierung freier Berufe
Die Kommission legte auch Leitlinien zum Reformbedarf der Mitgliedstaaten bei der Reglementierung freiberuflich erbrachter Dienstleistungen mit hohem Wachstums- und Beschäftigungspotenzial vor; dazu gehören die Tätigkeiten von Architekten, Ingenieuren, Rechtsanwälte, Rechnungsprüfern, Patentanwälten, Immobilienmaklern und Fremdenführern. Die Mitgliedstaaten sollen aufgefordert werden, zu prüfen, ob die für diese freien Berufe geltenden Auflagen die von ihnen erklärten nationalen politischen Ziele erfüllen.
Verbessertes Meldeverfahren für Entwürfe nationaler Rechtsvorschriften für Dienstleistungen
Nach EU-Recht sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission die Änderungen zu nationalen Rechtsvorschriften für Dienstleistungen zu melden, damit das Exekutivorgan der EU und die anderen Mitgliedstaaten etwaige Bedenken aufgrund möglicher Unvereinbarkeiten mit dem EU-Recht bereits in einem frühen Stadium geltend machen können. Die Kommission schlägt in diesem Zusammenhang Verbesserungen an diesem Mechanismus vor, um das Verfahren aus ihrer Sicht zeitsparender, effektiver und transparenter zu machen.