Die Wirtschaftsministerkonferenz (WiMiKo) hat sich den Auftrag gegeben, bis zum Ende des Jahres 2017 die Regelungen des Titelschutzes bei der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ so weit fortzuschreiben, wie es die zwischenzeitlichen Entwicklungen im Ingenieurwesen wie auch die Notwendigkeit der Anerkennung im Ausland erworbener Bildungsqualifikationen erforderlich machen.
Die Ingenieurkammern der Länder haben sich im Herbst 2016 auf der 59. Bundeskammerversammlung mit großer Mehrheit auf gemeinsame Vorschläge zur Regelung der im Hinblick auf die Berufsbezeichnung wesentlichen Paragrafen verständigt. Elementar ist in diesem Zusammenhang die Regelung, dass zur Führung der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ nur diejenigen Personen berechtigt sein dürfen, die das grundständige Studium einer technisch-ingenieurwissenschaftlichen Fachrichtung mit mindestens sechs theoretischen Studiensemestern an einer deutschen, staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule oder Berufsakademie mit Erfolg abgeschlossen haben. Dieser Studiengang muss darüber hinaus überwiegend ingenieurspezifische Fächer beinhalten und von diesen geprägt sein. Im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm sprechen aus unserer Sicht gewichtige Gründe dafür, dass dabei von einem „Überwiegen“ und einer „Prägung“ erst dann gesprochen werden kann, wenn sich der Gesamtanteil der MINT-Fächer, die für ein Ingenieurstudium relevant sind, auf 70% des gesamten Lehrinhalts (90 ECTS-Punkte für Technikfächer, 36 ECTS-Punkte für MIN-Fächer) beläuft.
Als Begründung für diese Forderung ist in diesem Zusammenhang v.a. auf den drohenden Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Ingenieurinnen und Ingenieure und die Gefahr einer Beschädigung der Marke „German engineering“ hinzuweisen: Im Rahmen eines Projektauftrags der EU-Kommission hat der European Council of Engineering Chambers (ECEC) u.a. eine Übersicht der in den europäischen Mitgliedstaaten geforderten Ausbildungsinhalten von (Bau-) Ingenieurinnen und Ingenieuren zusammengetragen (Anlage). Aus dieser lässt sich ersehen, dass es z.B. in Bulgarien, Tschechien, Italien, Liechtenstein, Portugal, Slowenien und Spanien im Hinblick auf die „Technical ECTS“-Anteile deutlich höhere Anforderungen gibt, als in Deutschland. Auch viele der übrigen Länder haben höhere Standards, wenn auch nicht derart ausgeprägt, wie in den genannten Beispielen. Es zeigt sich jedoch, dass mit einer Regelung von nur 50% + x MINT-Anteilen, die darüber hinaus noch nicht einmal zwingend einen Ingenieurbezug aufweisen müssen, Deutschland massiv hinter andere Länder zurückfallen würde. Das könnte aus Sicht der Ingenieurkammern katastrophale Folgen für den Berufsstand in Deutschland haben.
Auch widerspricht die Festlegung eines niedrigen MINT-Anteils den klaren Vorgaben der Politik. So haben sich gerade erst im Februar dieses Jahres die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und SPD im Deutschen Bundestag auf den Beschlussantrag „MINT-Bildung als Grundlage für den Wirtschaftsstandort Deutschland und für die Teilhabe an unserer von Wissenschaft und Technik geprägten Welt“ (PDF) verständigt und sich damit für ein „Mehr an MINT“ in allen Lebensphasen ausgesprochen. Dass gerade die für den Standort Deutschland so wichtige Ingenieurausbildung künftig einen entgegengesetzten Weg beschreiten soll, ist in keiner Weise nachvollziehbar und kann gerade im Hinblick auf die sicherheitsrelevanten Tätigkeiten von Ingenieurinnen und Ingenieuren katastrophale Folgen haben.