Im Zusammenhang mit dem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland plant das Bundeswirtschaftsministerium noch im Jahr 2022 die Streichung des § 3 Abs. 7 der Vergabeverordnung vorzubereiten. Nach Ansicht der EU-Kommission verstößt das aktuelle Regelwerk gegen europäisches Vergaberecht. Die geforderte Abschaffung würden dazu führen, dass unterschiedliche Planungsleistungen, etwa die Objektplanung für einen Kindergarten, gemeinsam mit der Ausführungsplanung für die jeweilige Auftragswertberechnung zu addieren sind. Dadurch würde in der Regel auch bei solchen Bauvorhaben der Schwellenwert überschritten und sie müssten europaweit ausgeschrieben werden. Dies hätte weitreichende Konsequenzen für die klein- und mittelständischen Strukturen der planenden Berufe sowie die öffentlichen Auftraggeber.
In einer gemeinsamen Resolution mit 18 weiteren Organisationen vom 14. Dezember 2002 weist die Bundesingenieurkammer erneut darauf hin:
Es zeichnet sich ab, dass sich die Bundesregierung dem Druck der Europäischen Kommission im laufenden Vertragsverletzungsverfahren zur Abschaffung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV beugen wird. Diese Streichung hätte zur Folge, dass bereits Planungsleistungen aller Fachgebiete für Bauvorhaben mit Baukosten von rund einer Million Euro nach der Vergabeverordnung europaweit ausgeschrieben werden müssten. Dies führt zu einer deutlichen Mehrbelastung – auf Vergabe- und auf Auftragnehmerseite – und ist mit einem Mehr an Bürokratie samt Folgekosten verbunden.
Solche kleineren Vorhaben richten sich an kleine und vor allem regionale Planungsbüros und entfalten keinerlei Binnenmarktrelevanz. Die Streichung hätte damit gravierende Folgen für die Struktur der Planungsbüros mit erheblichen negativen wirtschaftlichen Auswirkungen.
Die Bundesregierung wird daher aufgefordert, der unverhältnismäßigen Forderung der EU-Kommission nicht nachzugeben und wenn nötig die Klärung der Rechtsfrage durch den Europäischen Gerichtshof abzuwarten.
Die Landesregierungen werden aufgefordert, im Bundesrat einer möglichen Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV nicht zuzustimmen.
Bereits im Sommer 2022 hatte sich die Bundesingenieurkammer mit Appellen an Bundeswirtschaftsminister Dr. Habeck, Bundesbauministerin Geywitz und Verkehrsminister Dr. Wissing gewendet und auf die Folgen einer Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV hingewiesen. Ein breites Bündnis aus Interessenvertretungen, Kammern und kommunaler Spitzenverbände unterstrich wiederholt die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen insbesondere für die kleineren und mittleren Planungsstrukturen sowie für die öffentlichen Auftraggeber. Auch gegenüber Bundeskanzler Scholz adressierte Dr. Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, auf dem Wohnungsbaugipfel im Oktober 2022 das Thema.
Das Bundeswirtschaftsministerium ist sich der Auswirkungen bewusst, die eine Streichung von § 3 Abs. 7 S. 2 VgV hätte. Es beabsichtigt deshalb, mit flankierenden Maßnahmen einen Ausgleich für den Mittelstand zu schaffen.
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