Am 23. August 2023 wurde im Bundesgesetzblatt die Änderung von § 3 Abs. 7 Satz 2 der Vergabeverordnung (VgV) veröffentlicht. Die geänderte Vergabeverordnung tritt am Tag nach der Verkündung, am 24. August 2023, in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt müssen grundsätzlich alle ausgeschriebenen Planungsleistungen bei öffentlichen Vergabeverfahren addiert werden. Dies hat zur Folge, dass der Schwellenwert für die europaweite Ausschreibung von Planungsleistungen (215.000 Euro) früher als bisher überschritten wird. So werden jetzt auch bei kleinen Bauvorhaben europaweite Ausschreibungen notwendig. Dies bedeutet einen zeit- und kostenintensiven Mehraufwand nicht nur für die sich an einer Ausschreibung beteiligenden Planerinnen und Planer, sondern auch für die öffentlichen Auftraggeber.
Wenn aufgrund dieser Entwicklungen zunehmend auf Generalplaner- oder Totalunternehmervergabe ausgewichenen wird, hätte dies erhebliche Auswirkungen für die klein- und mittelständisch geprägte Planungslandschaft in Deutschland. Der Präsident der Bundesingenieurkammer, Dr.-Ing Heinrich Bökamp, befürchtet massive Auswirkungen auf die planenden Berufe und auf eine Vielzahl dringend benötigter Bauprojekte in Deutschland. „Gerade in diesen herausfordernden Zeiten sollten die kleinen und mittleren Büros geschützt und gefördert werden. Diese bilden bislang das Rückgrat der deutschen Planungslandschaft und werden vor dem Hintergrund von Bau- und Energiewende dringender denn je benötigt. Eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Leistungserbringung kann jedoch nur unter fairen Rahmenbedingungen gewährleistet werden“, unterstreicht der Präsident der Bundesingenieurkammer.
Das zuständige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimawandel hat parallel dazu Erläuterungen für die Vergabe von Planungsleistungen nach Wegfall des § 3 Abs. 7 Satz 2 VGV veröffentlicht.
Der Änderung der Vergabeverordnung liegt ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission zugrunde. Diese sieht in der bisher gültigen deutschen Regelung einen Verstoß gegen die europäischen Vergaberichtlinien. Die Planerverbände hatten hingegen geltend gemacht, dass den zu erwartenden negativen Auswirkungen kein erkennbarer Vorteil im Sinne einer Stärkung des europäischen Binnenmarkts gegenüberstehe, und gefordert, dass sich der Europäische Gerichtshof mit dem Thema befassen sollte. In einer Entschließung des Bundesrates wird die Bundesregierung aufgefordert zu prüfen, wie im Rahmen der europarechtlichen Möglichkeiten auch weiterhin verschiedene Planungsleistungen für kleinere Bauprojekte ohne europaweite Ausschreibung vergeben werden können. Dazu sollen klarstellende Erläuterungen gegeben werden, die aufzeigen, wie die Auswirkungen der Aufhebung des § 3 Absatz 7 Satz 2 VgV auf die Praxis rechtssicher begrenzt werden können.
Foto:(c) Alexander Zvir/unsplash