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Digitaler Bauantrag

Hand aufs Herz – Problemlöser digitaler Bauantrag?

Hand aufs Herz – Problemlöser digitaler Bauantrag? 1920 1080 Bundesingenieurkammer

Die Bundesregierung und die Bundesländer haben sich auf die Einführung eines digitalen Bauantrags verständigt. Der Wunsch nach Bürokratieabbau und beschleunigten Genehmigungsverfahren ist eng mit der flächendeckenden Einführung verbunden. Doch wie sieht die aktuelle Entwicklung aus? Hierzu gibt Prof. Dr.-Ing. Joaquín Díaz, Initiator des ersten Kongresses „Digitale Baugenehmigung“, der im April 2024 stattfindet, im Interview eine Einschätzung ab.

 

Für den digitalen Bauantrag wird es keine bundesweit einheitliche (EfA-)Lösung geben. Teilweise gibt es sogar abweichende Prozesse auf kommunaler Ebene gegenüber dem eigenen Bundesland. Verstehen Sie den Frust bei Planerinnen und Planern weiterhin mit einem Flickenteppich an Lösungen leben zu müssen?

Diaz: Der Bund verfolgt bei der Digitalisierung von Verwaltungsprozessen das Prinzip „Einer für alle“, um eine möglichst effiziente Umsetzung zu erreichen. Bei Verwaltungsprozessen, die in allen Bundesländern gleich oder sehr ähnlich sind, ist auch eine deutliche Effizienzsteigerung zu erwarten. Bei Verwaltungsprozessen, die aufgrund der Landesgesetzgebung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sein können, kann es vorkommen, dass nicht alle Bundesländer diesem Prinzip folgen. Im Fall der digitalen Baugenehmigung hat sich die Mehrheit der Bundesländer für die einheitliche (EfA-)Lösung entschieden. Hintergrund für die (noch) nicht erfolgte Übernahme sind die zum Teil bereits weit fortgeschrittenen Lösungen einzelner Bundesländer und die sehr komplexen Prozesse im Rahmen der Bauantragsverfahren. Bei rund 900 Bauaufsichtsbehörden in Deutschland gibt es bereits einige gute kommunale Eigenentwicklungen. Die Entscheidung in den Kommunen, die bestehenden Lösungen durch die einheitliche (EfA-)Lösung zu ersetzen, fällt daher nicht leicht. Diese manchmal langsamen oder widersprüchlichen Entscheidungen, die wir uns in Deutschland durch den Föderalismus erkaufen, haben aber auch den großen Vorteil, dass die Experimentierfreudigkeit und Innovationsfähigkeit gestärkt werden. Wenn ich mir vorstelle, dass wir demnächst vielleicht fünf digitale Bauantragsverfahren parallel haben, dann können alle Verfahren von diesem Wettbewerb profitieren, auch wenn es eigentlich kein Wettbewerb ist. Der heutige Flickenteppich wird für die Planer deutlich übersichtlicher. Die Zahl der Lösungen wird sich reduzieren.

Im ersten Schritt der Digitalisierung stellen wir von der Papierform auf pdf um. Wird das den Genehmigungsprozess schon entscheidend beschleunigen, wenn digital eingereichte Dokumente wieder ausgedruckt, mit händischen Anmerkungen versehen und eingescannt werden?    

Diaz: Dieser erste Schritt oder besser Zwischenschritt war nur deshalb notwendig, weil wir uns in Deutschland nicht trauen, digitale Bauwerksmodelle für die Bauvorlage zu verlangen. In den skandinavischen Ländern ist die Akzeptanz für die Einführung neuer digitaler Verfahren deutlich höher. Dänemark hat BIM im öffentlichen Bereich bereits im Jahr 2000 eingeführt. Das IFC-Format wurde 2013 mit dem Inkrafttreten der IKT-Verordnungen 118 und 119 verbindlich. Diese Verordnungen unterstützen die fortlaufende Integration von BIM und IFC in den digitalen Bauantragsprozess und fördern die Nutzung von Technologie als Hauptmaßnahme zur Steigerung der Produktivität im Bausektor. Auch Finnland verfügt über ein funktionierendes modellbasiertes Baugenehmigungsverfahren auf Basis von IFC. Wir machen es uns in Deutschland in einigen Bereichen zu schwer. Wir haben sehr gute Beispiele, wo die digitale Modellprüfung funktioniert. Bei der öffentlichen Prüfung der Berechnung für den Energieausweis erfolgt die Prüfung des digitalen Energiemodells im XML-Format, eigentlich der digitale Zwilling des Gebäudes. Das wird schon seit einigen Jahren erfolgreich eingesetzt. Es funktioniert also.

Viel diskutiert werden die Ausstattung und das Know-how in Planungsbüros und Behörden sowie die Umsetzung der Landesbauordnungen in programmierfähige Prüfregeln. Was sind derzeit die größten Hindernisse einer digitalen Baugenehmigung?

Diaz: Die Ausstattung ist in der Tat das größte Problem. Im Vergleich der deutschen Branchen investiert die Bauwirtschaft fast am wenigsten in Digitalisierung und Tools. Die Ausstattung in den Verwaltungen muss als unterirdisch bezeichnet werden. Diese Defizite müssen dringend behoben werden. Als zweite große Baustelle kann das Know-how angesehen werden. Dadurch, dass die Planer die Prozesse zwar intern sehr gut digital und modellbasiert erstellen, aber nicht mit anderen externen Planern an gemeinsamen digitalen Modellen arbeiten, fehlt diese Kompetenz völlig. Diese Kompetenz ist bei der Einreichung der digitalen Modelldaten für das Bauantragsverfahren sehr hilfreich. Viel zu wenige Absolventen der Hochschulen bringen diese digitale Kompetenz mit.

Die Entwicklung von Regelwerken für die modellbasierte Prüfung wurde bereits von Markus König vorgestellt. Dies ist kein Problem mehr, sondern nur noch eine Fleißarbeit bei der Umsetzung der Regelwerke für die Landesbauordnungen.

Ziel der Digitalisierung ist ja nicht nur die Beschleunigung des Verfahrens, sondern vor allem auch eine Qualitätssteigerung bei den eingereichten Unterlagen. Wird sich eine spürbare Verbesserung erst mit einem BIM-basierten Bauantrag einstellen? Und wann wird dieser kommen?

Diaz: Dies ist ein entscheidender Aspekt! Wenn die gesamte Planung als ein Ergebnis verstanden wird, in dem es keine Widersprüche und keine offenen Fragen hinsichtlich der Bebaubarkeit im Sinne der Baugenehmigung gibt, sinkt das Risiko von Rückfragen bis zur Erlangung der Baugenehmigung erheblich. Die Qualität der einzureichenden Unterlagen kann sinnvollerweise nur durch digitale Bauwerksmodelle erreicht werden, die in der Planung zwischen allen Planungsbeteiligten abgestimmt werden. Sowohl in der Geschwindigkeit als auch in der Qualität gibt es derzeit keine sinnvolle Alternative zum BIM-basierten Bauantrag. Der Einsatz von digitalen Zwillingen ermöglicht eine genauere und umfassendere Dokumentation des gesamten Planungsprozesses, was wiederum die Kommunikation zwischen allen Beteiligten verbessert.

Technisch ist der BIM-basierte Bauantrag bereits heute möglich und in anderen Ländern bereits erprobt. Angesichts der fehlenden Investitionen und des mangelnden Engagements in den Verwaltungen befürchte ich, dass wir noch fünf bis zehn Jahre brauchen werden.

Prof. Dr.-Ing. Joaquín Díaz ist Leiter des Fachgebiets Bauinformatik und Nachhaltiges Bauen an der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM) in Gießen. Er leitet seit 1999 das Fachgebiet Bauinformatik und Nachhaltiges Bauen sowie seit 2016 den Master-Schwerpunkt 5D/6D-BIM Virtual Design and Construction. Er ist auch Vorstandsmitglied in der Ingenieurkammer Hessen.

Am 29. und 30. April 2024 veranstaltet die Technische Hochschule Mittelhessen gemeinsam mit der TransMIT GmbH in Gießen den Kongress Digitale Baugenehmigung. Initiator der Veranstaltung ist Joaquín Díaz.

Informationen & Anmeldung

Foto © BVBS

Bundesregierung Verkehrsinfrastrukturfonds

Bundesingenieurkammer zu Plänen eines Verkehrsinfrastrukturfonds

Bundesingenieurkammer zu Plänen eines Verkehrsinfrastrukturfonds 2560 1440 Bundesingenieurkammer

Die Bundesingenieurkammer begrüßt die Überlegungen des Bundesverkehrsministeriums, die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur in Deutschland über einen Infrastrukturfonds – parallel zum regulären Bundeshaushalt – langfristig und nachhaltig zu sichern. Ziel muss es sein, die Modernisierung unseres Landes auch nach dem Karlsruher Urteil zur Schuldenbremse weiter voranzutreiben zu können. Die „langfristige Absicherung der Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur“ wurde im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien verankert. Nun müssen Taten folgen. Allerdings gilt es, bei der Wahl der Mittelbeschaffung grundsätzlich Vorsicht walten zu lassen.

„Bund und Länder sind hier primär in der Pflicht, die notwendigen Gelder für eine funktionierende Infrastruktur bereitzustellen. Gesperrte Brücken und marode Schienen verursachen erhebliche volkswirtschaftliche Schäden und verhindern Wachstum. Insofern ist ein dauerhafter Anstieg der Investitionen in Straße, Schiene und Wasserstraße über die laufende Legislaturperiode hinaus unverzichtbar. Jedoch sollte sich der Staat nicht unbedacht in Abhängigkeiten begeben, sonst zahlt der Steuerzahler am Ende drauf“, so Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer. „Im Einzelfall können etwa Public-private-Partnership-Modelle ein gangbarer Weg sein, das kann jedoch nicht die Lösung für alle Probleme und Herausforderungen sein. Der Staat muss von Fall zu Fall genau hinschauen und abwägen“, so der Präsident der Dachorganisation der Länderingenieurkammern weiter.

Neben der langfristigen Sicherung der Finanzierung spricht sich die Bundesingenieurkammer dafür aus, noch mehr Dynamik in die Entbürokratisierung und die weitere Beschleunigung der Genehmigungsprozesse zu bringen.

Foto © eyewave/iStock

Immobilien-Konjunkturtrends 2024

Immobilien-Konjunkturtrends 2024 572 579 Bundesingenieurkammer

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat die Konjunkturaussichten auf den Immobilienmarkt in 2024 als erste Ergebnisse des BBSR-Expertenpanel Immobilienmarkt zur Jahreswende 2023/24 veröffentlicht. Nach der Einschätzung der Fachleute bleibt die Stimmungslage insgesamt pessimistisch, obwohl vereinzelt leichte Anzeichen für eine Aufhellung im Wohnungs- und Einzelhandelsmarkt erkennbar sind. Der Konjunkturpessimismus im Büromarkt hat weiter nachgelassen, dennoch bleibt die Hoffnung auf eine Verbesserung der Neubauentwicklung insgesamt zu vage. Die Expertinnen und Experten schätzen die Vorhaben von Modernisierung und Sanierung im Bestand gleichwohl wieder etwas positiver ein. Der immense Druck, den fehlende Wohnungen auf den Wohnungsmarkt ausüben, wird durch die Erwartung weiter steigender Mieten verdeutlicht.

Download BBSR-Expertenpanel

weitere Informationen: https://www.bbsr.bund.de/

Gebäudetyp-e: Wie geht es weiter?

Gebäudetyp-e: Wie geht es weiter? 700 467 Bundesingenieurkammer

Die Initiative „Gebäudetyp-e“ (wie „einfach“ oder „experimentell“) ist ein regulatorischen Befreiungsschlag, mit dem Ziel mehr Innovation zu wagen. Initiiert wurde die Diskussion des „Gebäudetyp-e“ durch die Bayerische Architektenkammer und die Bundesarchitektenkammer.

Bundesarchitektenkammer, Bundesingenieurkammer und der GdW Bundesverband Wohnungswirtschaft laden vor diesem Hintergrund zum Expertenforum „Einfach bauen! – Potenziale im Neubau und Bestand“ in Berlin ein.

Die kostenfreie Veranstaltung beleuchtet den aktuellen Diskussionstand zum Gebäudetyp-e und gibt einen Ausblick auf eine rechtssichere Umsetzung in die Praxis. Bundesbauministerin Klara Geywitz wird die After-Work-Veranstaltung eröffnen.

Donnerstag, 18. April 2024, 18:30 – 21:00 Uhr, Einlass ab 18 Uhr

Vor Ort in der Berlin Metropolitan School,  Linienstraße 122, 10115 Berlin oder im Live-Stream

Eine Teilnahme vor Ort ist nur mit einer Anmeldung möglich: Anmeldung Forum „Einfach bauen“

Die Veranstaltung wird ab 18:15 Uhr zusätzlich live via Zoom gestreamt: Registrierung

Eine Anmeldung für den Live-Stream ist nicht erforderlich.

Wir freuen uns auf Sie!

Grafik © Bundesarchitektenkammer

Baukulturelle Leitlinien des Bundes Workshop

Baukulturelle Leitlinien des Bundes

Baukulturelle Leitlinien des Bundes 1600 900 Bundesingenieurkammer

Am 21. März 2024 richtete das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen in Berlin einen Workshop aus unter dem Motto: Baukulturelle Leitlinien des Bundes – Wie gestalten wir gemeinsam Räume für ein gutes Zusammenleben? Die Bundesingenieurkammer war durch Professor Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, Präsident Bayerische Ingenieurekammer-Bau und Beirat der Bundesstiftung Baukultur, vertreten.

Die Bundesregierung will die Rolle der Baukultur stärken. Hierfür sollen Leitlinien für Baukultur erarbeitet werden. Ein Projektteam Baukultur hatte einen Entwurf für Leitlinien vorgestellt. Diese wurden in drei Arbeitsgruppen diskutiert. Die Diskussionsergebnisse fließen nun in den Entwurf ein.

Dabei geht es um eine ganzheitliche Betrachtung von Baukultur, in dem Sinne, dass sie die Summe der menschlichen Tätigkeiten umfasst, die unsere gebaute Umwelt weiter verändern. Dies geschieht auch vor dem Hintergrund der UN-Nachhaltigkeitsziele 2030 und der UN Sendai-Ziele 2030 zur Katastrophenvorsorge.

Die Bundesingenieurkammer engagiert sich weiterhin bei der Erarbeitung der Leitlinien und im Beirat der Bundesstiftung Bauakademie. Sie ist zudem Kooperationspartnerin des Baukulturberichts und des Konvents der Baukultur 2024 der Bundestiftung Baukultur.

Fotos © Konstantin Börner

Prof. Burgi zur Vergabe von Planungsleistungen

Prof. Burgi zur Vergabe von Planungsleistungen 1066 600 Bundesingenieurkammer

Im Interview erläutert Prof. Dr. jur. Martin Burgi die Ergebnisse seines Rechtsgutachen zur Vergabe von Planungsleistungen. Das Gutachten bestätigt die  Rechtskonformität eines alternativen Beschaffungskonzepts.

In der deutschen Planerschaft und bei den öffentlichen Auftraggebern herrscht nach Streichung von § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV (alt) große Unsicherheit bei der Vergabe von Planungsleistungen. Unklar ist vor allem, ob diese Streichung dazu führt, dass im Rahmen der Auftragswertberechnung Planungsleistungen anders als bisher addiert und deshalb vermehrt europaweit ausgeschrieben werden müssen. Dies ist jedenfalls das Ziel der EU-Kommission. Die Beteiligung an europaweiten Ausschreibungsverfahren erfordert aber sowohl einen Mehraufwand für die Planenden Berufe als auch für die öffentlichen Auftraggeber, die diese aufwändigen Ausschreibungen vorbereiten und durchführen müssen. Außerdem steht zu befürchten, dass Planungsaufträge so öfter an Generalplaner oder sogar Totalunternehmer vergeben werden.

Prof. Dr. jur. Martin Burgi ist Autor des neuen Rechtsgutachtens mit dem Titel „Gemeinsame Vergabe von Aufträgen für Planungs- und Bauleistungen, kombiniert mit Fachlosbildung: Funktionsweise und Rechtskonformität eines alternativen Beschaffungskonzepts (v. a. bei kommunalen Investitionsvorhaben für Klimaschutz, sozialer Infrastruktur, Sanierung etc.) nach Streichung des § 3 Abs. 7 S. 2 VgV“.

Welche rechtssichere Alternative für öffentliche Auftraggeber zeigt dazu das von Ihnen erstellte Gutachten auf?
Prof. Burgi:
Die Bundesregierung hat im Zuge der Streichung des § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV in der Verordnungsbegründung ein alternatives Beschaffungskonzept ins Spiel gebracht. Es besteht darin, für die Berechnung des Auftragswertes alle für ein Bauprojekt erforderlichen Planungs- und Bauausführungsleistungen zu berücksichtigen. Kombiniert wird dies mit einer anschließenden Fachlosbildung, die insbesondere die Planungsleistungen betrifft. Öffentlichen Auftraggebern, die im Interesse einer Verwirklichung der in diesen Zeiten so dringend benötigten, insbesondere kommunalen Investitionsvorhaben für Klimaschutz, soziale Infrastruktur, Sanierung etc. weder die zeitraubende europaweite Ausschreibung jeder einzelnen Planungsleistung noch die Betrauung eines Totalunternehmers sowohl mit den Planungs- als auch den Bauausführungsleistungen in Kauf nehmen wollen, ist dieses Beschaffungskonzept zu empfehlen. 

Warum ist öffentlichen Auftraggebern eine Gesamtvergabe von Planungs- und Bauauftrag an einen Totalunternehmer nicht zu empfehlen?
Burgi
: Die Beauftragung eines Totalunternehmers bedeutet grundsätzlich eine Schwächung der Position des öffentlichen Auftraggebers gegenüber den mit der eigentlichen Bauausführung betrauten Auftragnehmern. Denn der Auftraggeber profitiert, wenn er in Gestalt kleiner und mittelständischer Planungsbüros unabhängige und zugleich sachkompetente, damit insbesondere aber auch zu Kontrollen der Bauausführung befähigte Auftragnehmer an seiner Seite hat. Die Beauftragung eines Totalunternehmers wäre zudem mit mehr Rechtsunsicherheiten behaftet, weil der öffentliche Auftraggeber in jedem einzelnen Fall vor Beauftragung nachweisen müsste, dass Gründe für die Durchbrechung der grundsätzlichen Verpflichtung zur Losvergabe nach § 97 Abs. 4 Sätze 2 u. 3 GWB vorgelegen haben.

Welchen neuen Ansatz für die Vergabe von Planungsleistungen zeigen Sie in Ihrem Gutachten auf?
Burgi
: Das erste Element des alternativen Beschaffungskonzepts besteht darin, als Grundlage für die Auftragswertberechnung auf den sogenannten „Bauauftrag“ abzustellen, der nicht nur aus Ausführungsleistungen bestehen kann, sondern auch in einer Kombination aus Planung und Ausführung. Dies ist so ausdrücklich in §§ 103 Abs. 3 S. 1 GWB, 3 Abs. 6 S. 2 VgV vorgesehen und entspricht überdies europarechtlichen Vorgaben. Der maßgebliche Schwellenwert für die Verpflichtung zu einer europaweiten Ausschreibung liegt für Bauaufträge bei 5,538 Mio. Euro. Die Entscheidung zugunsten einer solchen Vorgehensweise liegt dabei im freien Ermessen des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers. Dadurch wird nicht das Umgehungsverbot des § 11 Abs. 5 GWB, 3 Abs. 2 VgV tangiert, nach dem die Methode zur Berechnung des geschätzten Auftragswerts nicht in der Absicht erfolgen darf, die Auftragsvergabe von den Vorschriften zur Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen auszunehmen. Im Gegenteil: Bei den Bauaufträgen wird der Schwellenwert aufgrund der Einberechnung der Planungsleistungen vergleichsweise häufiger erreicht bzw. überschritten. Dies dürfte gerade im Sinne des europäischen Binnenmarktes ein Vorzug des alternativen Beschaffungskonzepts sein.

Worin unterscheidet sich denn konkret das von Ihnen untersuchte alternative Beschaffungskonzept von den bisherigen Vergabearten?
Burgi
: Wesentlich ist der zweite Teil des alternativen Beschaffungskonzepts – die Teilung des aus Planungs- und Bauleistungen bestehenden Bauauftrages in Fachlose, insbesondere die Unterteilung in Fachlose für die einzelnen Planungsleistungen. Diese anschließende Aufteilung in Fachlose ist nach meiner Untersuchung nicht nur rechtlich zulässig, sondern nach deutschem Vergaberecht grundsätzlich verpflichtend vorzunehmen.

Erfahrungsgemäß machen Planungsleistungen rund 20 % der Bauleistungen aus. Dann würden Planungsleistungen im Rahmen eines Bauauftrages demnach erst ab einer Größenordnung von rund 1.1 Mio. Euro europaweit ausgeschrieben werden müssen?
Burgi:
Ja, bei Unterschreiten des Bauaufträge-Schwellenwerts gelangen die Vorgaben des europäischen Vergaberechts erst gar nicht zur Anwendung. Dies gilt dann auch für die anschließende losweise Vergabe der Planungsleistungen. Darin ist auch keine missbräuchliche Verfahrensgestaltung des öffentlichen Auftraggebers zu sehen, sondern diese Rechtsfolge geht allein auf die Entscheidung des europäischen Gesetzgebers zurück, den Schwellenwert für die Vergabe von Bauaufträgen deutlich höher anzusetzen als den für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen. Es ist jedenfalls nach Anwendung aller klassischen rechtlichen Auslegungsmethoden keine schlüssige Begründung ersichtlich, warum der Einsatz dieses alternativen Beschaffungskonzepts unstatthaft sein sollte. Vielmehr ist dieses Beschaffungskonzept Bestandteil der europarechtlich anerkannten sogenannten Beschaffungsautonomie des jeweiligen öffentlichen Auftraggebers, deren Ausübung insoweit keine Grenzen gesetzt sind.

Aber auch dann, wenn der Gesamtauftragswert den Schwellenwert überschreitet, ist noch folgendes zu berücksichtigen: § 3 Abs. 9 VgV sieht vor, dass der öffentliche Auftraggeber einzelne Lose außerhalb des EU-Vergaberechts vergeben darf, wenn der geschätzte Nettowert des betreffenden Loses bei Liefer- und Dienstleistungen unter 80. 000 EUR und bei Bauleistungen unter 1 Mio. EUR liegt und die Summe der Nettowerte dieser Lose 20 Prozent des Gesamtwertes aller Lose nicht übersteigt. Die Konsequenz dieser sogenannten 80/20-Regel ist im vorliegenden Zusammenhang eine Verschiebung des Schwellenwerts nach oben bis zu maximal 20 % des Gesamtwerts alle Lose. Dies wiederum bedeutet, dass bis zu dieser nach oben verschobenen Schwelle nicht die Regeln des Oberschwellen-, sondern die des Unterschwellenvergaberechts gelten. Im vorliegenden Zusammenhang würde sich anbieten, die auf die planungsbezogenen Leistungen bezogenen Lose in das 20 %-Kontingent zu ziehen.

Auf welcher Grundlage müssten dann die jeweiligen Lose für die Planungs- und die Bauleistung vergeben werden? Wäre hierbei nicht vorrangig die VOB Teil A anzuwenden?
Burgi
: Das Rechtsregime für die Vergabe der Lose für die Planungsleistungen richtet sich oberhalb des Bau-Schwellenwerts nach der VgV. Unterhalb dieses Schwellenwertes für Bauaufträge in Höhe von 5,538 Mio. Euro richtet sich das anwendbare Regime für die Auftragsvergabe nach den jeweils einschlägigen Vorschriften des Haushaltsrechts. Vorbehaltlich im Einzelfall abweichender Regelungen dürfte hier im Hinblick auf die Lose für die Planungsleistungen nach der UVgO verfahren werden. Diese enthält wiederum in § 50 UVgO eine Sonderregelung zur „Vergabe von freiberuflichen Leistungen“, auf deren Grundlage dann zu vergeben ist.

Prof. Dr. jur. Martin Burgi
Ordinarius für Öffentliches Recht und Europarecht, Leiter der Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität, München

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Foto © privat

Positionspapier Berufsvorbehalte Bundesingenieurkammer und VBI

BIngK & VBI fordern: Berufsvorbehalte für sicherheitsrelevante Planungsleistungen

BIngK & VBI fordern: Berufsvorbehalte für sicherheitsrelevante Planungsleistungen 1920 1080 Bundesingenieurkammer

Bauingenieurinnen und -ingenieure übernehmen Verantwortung für die Sicherheit und Funktionstüchtigkeit von Bauwerken und damit für Menschen und erhebliche Sachwerte. Die Bundesingenieurkammer und der Verband Beratender Ingenieure fordern daher in einem gemeinsamen Positionspapier die Einführung von Berufsvorbehalten für sicherheitsrelevante Planungsleistungen.

Grundlage für sicherheitsrelevante Planungsleistungen bildet zuallererst eine qualitativ hochwertige Ausbildung der Bauingenieure, sowie permanente Fort- und Weiterbildung. Damit die Berufsvorbehalte nicht die unternehmerische Freiheit der Ingenieurbüros einschränken, sollten Bauingenieure unabhängig von der Gesellschaftsform und den Eigentumsverhältnissen ihres Büros oder Unternehmens Mitglied in der Ingenieurkammer ihres Bundeslands sein können. Um die Attraktivität des Berufsstands zu steigern, muss insbesondere der gesellschaftliche Stellenwert der MINT-Fächer gestärkt werden.

Foto © BIngK/VBI

Deutscher Brückenbaupreis 2025

Auslobungsstart Deutscher Brückenbaupreis 2025

Auslobungsstart Deutscher Brückenbaupreis 2025 1920 1080 Bundesingenieurkammer

Die Bundesingenieurkammer und der Verband Beratender Ingenieure VBI loben den Deutschen Brückenbaupreis 2025 aus. Der ideelle Preis, der nun schon zum elften Mal ausgelobt wird, würdigt Ingenieurleistungen im Brückenbau in den Kategorien Fuß-/Radwegbrücken und Straßen-/Eisenbahnbrücken. Neubauten, Instandsetzungen und Ertüchtigungen sind gleichermaßen teilnahmeberechtigt.

Nun schon zum zweiten Mal wird zusätzlich ein Sonderpreis für ein wegweisendes Projekt auf Weg zum klimaneutralen Bauen verliehen. Dies unterstreicht die Bedeutung von umweltfreundlichen Ansätzen und innovativen Technologien im Brückenbau, denn Ingenieurinnen und Ingenieure bauten schon immer mit Blick auf die Zukunft. Nachhaltigkeit war und bleibt auch in den anderen Projekten ein gleichberechtigtes Bewertungskriterium neben Funktion, Konstruktion, Wirtschaftlichkeit, ästhetischer Einbindung, Wirtschaftlichkeit, Planung & Bau sowie Innovation.

Die Teilnahme am Wettbewerb bietet Ingenieurinnen und Ingenieure eine einzigartige Gelegenheit, ihre Innovation, Kreativität und Expertise unter Beweis zu stellen – und darüber hinaus das Renommée und die Strahlkraft des Berufsstandes an sich zu stärken.

Interessierte können ab sofort die Auslobungsunterlagen für den Wettbewerb 2025 auf der offiziellen Webseite www.brueckenbaupreis.de einsehen und herunterladen. Dort finden sich alle Formalien zur Teilnahme.

Einsendeschluss ist der 31. August 2024. Die feierliche Preisverleihung findet im März 2025 in Dresden statt – am Vorabend des Dresdner Brückenbausymposiums.

Foto © Brückenbaupreis

EU Parlament EPBD

EU-Parlament segnet EPBD-Richtlinie ab

EU-Parlament segnet EPBD-Richtlinie ab 2400 1597 Bundesingenieurkammer

Das Europäische Parlament verabschiedete am 12. März 2024 neue EU-Vorschriften für die Renovierung von Gebäuden. 370 Abgeordnete stimmten in Straßburg für die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Es gab 199 Gegenstimmen und 46 Enthaltungen. Die beschlossene Fassung der EPBD-Richtlinie (Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden) entspricht im Wesentlichen der Einigung im Trilog-Verfahren aus dem Dezember 2023.

Eine zeitweise diskutierte Sanierungspflicht für Wohngebäude durch die Richtlinie wird es nicht geben. Vielmehr soll jetzt der gesamte Wohngebäudebestand die Effizienzpotenziale heben. Gerade Deutschland hat sich in den Verhanldungen für den Quartiersansatz stark gemacht. Ziel der Europäischen Union ist es nun, den Energieverbrauch von Wohngebäuden bis 2030 um durchschnittlich 16 Prozent und bis 2035 um 20 bis 22 Prozent zu senken. Über einen Quartiersansatz wird die ganzheitliche energetische Bilanzierung von Stadtvierteln ermöglicht. Wenn sich im gleichen Quartier ausreichend moderne Neubauten mit guter Energiebilanz befinden, sind so Einzelmaßnahmen an ineffizienten Gebäuden nicht zwingend notwendig.

Für Nichtwohngebäude wurde eine Sanierungspflicht eingeführt. Die neuen Regelungen sehen vor, dass bis 2030 16 Prozent und bis 2033 26 Prozent der am wenigsten energieeffizienten Gebäude (Basisjahr 2020) saniert werden müssen. Der Gebäudebestand in der EU soll bis 2050 vollständig klimaneutral sein.

Die deutsche Bundesbauministerin Klara Geywitz begrüßt den gefundenen Kompromiss: „Ich habe mich dafür eingesetzt, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene für den Quartiersansatz und die Anrechnung aller klimaschützenden Maßnahmen eintritt. Das Denken in Insellösungen ergibt weder bei einem globalen Thema wie dem Klimaschutz Sinn, noch trägt es dem europaweit extrem unterschiedlichen Gebäudebestand Rechnung. Zudem trete ich dafür ein, dass wir bei der Umsetzung der EPBD in nationales Recht eine Sanierungsstrategie entwickeln, die bei dem riesigen Bedarf u. a. in unseren Schulen und Krankenhäusern beginnt.“

Ab 2030 sollen alle Neubauten Nullemissionsgebäude sein. Für Neubauten der öffentlichen Hand soll dies bereits ab 2028 gelten.

Für landwirtschaftliche und denkmalgeschützte Gebäude sind Ausnahmen von den neuen Vorschriften möglich. Die EU-Staaten können zudem beschließen, Gebäude, die wegen ihres besonderen architektonischen oder historischen Wertes geschützt sind, sowie provisorische Gebäude, Kirchen und für Gottesdienste genutzte Gebäude davon auszunehmen.

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) wird nun prüfen, an welchen Punkten die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie in nationales Recht erforderlich ist. Hierzu muss laut BMWSB zunächst das Verfahren zur Novellierung der EPBD auf EU-Ebene abgeschlossen werden. Denn nach dem Beschluss des Europäischen Parlaments wird noch die Zustimmung des Rates benötigt. Stehen dann die konkreten Formulierungen fest, beginnt die zweijährige Frist zur Umsetzung. Bauministerin Klara Geywitz unterstreicht: „Mit der heutigen Abstimmung über die EPBD-Richtlinie im Europäischen Parlament gehen wir in Europa den nächsten großen Schritt zu einem klimafreundlichen Gebäudesektor. Wir werden dadurch die Primärenergie des gesamten Wohngebäudebestandes senken und damit erheblich zum Klimaschutz beitragen.“

Ökobilanzierung ab 2023 verpflichtend

Die Novelle der EPBD-Richtlinie sieht zudem die Berechnung und Darstellung der Ökobilanzierung bzw. die Lebenszyklusanalyse für alle Neubauten über 1.000 m² verpflichtend vor. Ab 2023 dann für alle Neubauten. Gerade die planenden Berufe müssen sich hierauf entsprechend vorbereiten.

Wortlaut Artikel 7 Absatz 2:
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ab den folgenden Zeitpunkten das Lebenszyklus-Treibhauspotenzial gemäß Anhang III berechnet und im Ausweis über die Gesamtenergieeffizienz des Gebäudes offengelegt wird:

  1. a) ab dem 1. Januar 2028 für alle neuen Gebäude mit einer Nutzfläche von mehr
    als 1000 m²,
  2. b) ab dem 1. Januar 2030 für alle neuen Gebäude.

Berechnung des Lebenszyklus-Treibhauspotenzials neuer Gebäude gemäß Artikel 7 Absatz 2
Für die Berechnung des Lebenszyklus-Treibhauspotenzials neuer Gebäude gemäß Artikel 7 Absatz 2 wird das Gesamt-Lebenszyklus-Treibhausgaspotenzial als numerischer Indikator, ausgedrückt in kg CO2eq/(m²) (Nutzfläche), für jede Lebenszyklusphase, berechnet über einen Bezugszeitraum von 50 Jahren angegeben.

Die Datenauswahl, die Festlegung des Szenarios und die Berechnungen erfolgen gemäß EN 15978 (EN 15978:2011 Nachhaltigkeit von Bauwerken. Bewertung der umweltbezogenen Qualität von Gebäuden. Berechnungsmethode) und unter Berücksichtigung späterer Normen in Bezug auf die Nachhaltigkeit von Bauwerken und die Berechnungsmethode für die Bewertung der Umweltverträglichkeit von Gebäuden. Der Umfang der Gebäudekomponenten und der technischen Ausrüstung entspricht der Definition für den Indikator 1.2 des gemeinsamen Level(s)-Rahmens der EU.

Sofern ein nationales Berechnungsinstrument oder eine nationale Berechnungsmethode vorliegt oder für die Offenlegung oder die Erteilung von Baugenehmigungen erforderlich ist, kann dieses Instrument oder diese Methode genutzt werden, um die erforderliche Offenlegung zu ermöglichen. Andere Berechnungsinstrumente oder -methoden können verwendet werden, wenn sie die im gemeinsamen Level(s)-Rahmen der EU festgelegten Mindestkriterien erfüllen. Wurden Daten zu spezifischen Bauprodukten gemäß der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates1 berechnet, so sind diese, sofern verfügbar, zu verwenden.

Foto © Frederic Koberl/unsplash

BFB Fachkräftesicherung

Dialog zur Fachkräftesicherung

Dialog zur Fachkräftesicherung 1500 851 Bundesingenieurkammer

Am 1. März trafen sich die Mitglieder des BFB-Gesprächsforums „Junge Freie Berufe“ zu ihrer Auftaktsitzung 2024. Die Runde war zu Gast bei der Bundeszahnärztekammer in Berlin. Eingangs tauschten sie sich mit Boris Petschulat aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz zu ihrem Impulspapier zur Fachkräftesicherung „Talente finden, fördern und binden“ aus.

Im Impulspapier betont das Gesprächsforum unter anderem, dass die Freien Berufe zuverlässige Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind. Gerade angesichts der veränderten „Kräfteverhältnisse“ auf dem Arbeitsmarkt hin zu einem Bewerbermarkt gilt es, die guten Perspektiven für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter herauszustellen, da die Freien Berufe als Zukunftssektor mit ihren krisensicheren Jobs eine sichere Bank für ihre Mitarbeitenden sind.

Foto: © BFB/Mark Bollhorst

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