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Bundesregierung zur Aktivrente – Selbstständige zunächst ausgeschlossen

Bundesregierung zur Aktivrente – Selbstständige zunächst ausgeschlossen 2560 1438 Bundesingenieurkammer

Die geplante Aktivrente soll es sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ermöglichen, nach Erreichen des gesetzlichen Rentenalters bis zu 2.000 Euro monatlich steuerfrei zu verdienen. Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung müssen jedoch weiterhin gezahlt werden. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung könnte die Aktivrente die Erwerbstätigkeit älterer Menschen um bis zu zehn Prozent steigern – umgerechnet etwa 33.000 Vollzeitstellen. Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, Beamtentätigkeit oder Abgeordnetenmandaten bleiben zunächst unberücksichtigt. Die Bundesregierung kündigt jedoch eine spätere Evaluierung an.

Bundesregierung erläutert Nichtberücksichtigung von Selbstständigen
Die Bundesregierung hat nun auf eine Kleine Anfrage der Grünen zur Aktivrente geantwortet. Demnach sollen zunächst ausschließlich sozialversicherungspflichtige Beschäftigte von dem neuen steuerlichen Freibetrag profitieren. Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit, Beamtentätigkeit oder Abgeordnetenmandaten werden nicht einbezogen.

Begründet wird dies damit, dass bei sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung das größte Potenzial zur Erhöhung der Erwerbstätigenquote im Rentenalter gesehen wird. Bei Selbstständigen sei der Anteil derjenigen, die auch nach Erreichen des Regelrentenalters weiterarbeiten, bereits sehr hoch.

Die Bundesregierung plant, die Wirkungen der Aktivrente zwei Jahre nach Inkrafttreten zu überprüfen. Bis Ende 2029 soll geprüft werden, ob die Regelung zu einer höheren Erwerbstätigenquote von Personen nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze geführt hat. Anschließend wird eine mögliche Einbeziehung Selbstständiger diskutiert.

Forderungen der Freien Berufe
Die Bundesingenieurkammer fordert dagegen gemeinsam mit dem BFB und anderen Verbänden , Selbstständigkeit ab 2026 einzubeziehen und dann die Wirkung 2029 zu überprüfen. Denn der Fachkräftemangel trifft die Freien Berufe bereits heute spürbar und wird sich durch den demografischen Wandel weiter verschärfen. Deshalb gilt es, alle Potenziale zu nutzen – auch und gerade die der Selbstständigen. Viele Rentnerinnen und Rentner, die über die Altersgrenze hinaus tätig bleiben, tun dies in Form einer selbstständigen Tätigkeit, weil sie sich mehr Selbstbestimmung und flexible Arbeitszeiten wünschen.

Eine Umfrage des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass 52 Prozent der älteren Arbeitnehmer nach dem Ruhestand nicht mehr arbeiten möchten. Mit der Aktivrente sinkt dieser Anteil um rund fünf Prozentpunkte, wobei fast alle Befragten, die weiterarbeiten wollen, bereit wären, ein Jahr oder länger zu verlängern.

Wie geht es weiter?
Der Gesetzentwurf zur Aktivrente liegt mittlerweile vor und wird am 14. November 2025 in erster Lesung im Bundestag debattiert. Eine öffentliche Expertenanhörung des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf ist für den 1. Dezember 2025 geplant.

Verbändebündnis unterstützt Regierungsentwurf zum Vergaberecht

Verbändebündnis unterstützt Regierungsentwurf zum Vergaberecht 1820 1024 Bundesingenieurkammer

Gemeinsam unterstützen die Bundesingenieurkammer (BIngK), die Bundesarchitektenkammer (BAK),  der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) und der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) ausdrücklich den Regierungsentwurf zum Vergaberecht, insbesondere den Kompromiss für eine mittelstandsfreundliche Vergabe. Schon der Koalitionsvertrag sieht ausdrücklich eine mittelstandsgerechte Vergabe und keinerlei Aufweichungen hiervon vor.

Die Verbände der Planerinnen und Planer und der bauausführenden Wirtschaft plädieren auch für eine Vereinfachung und Beschleunigung öffentlicher Investitionen. Eine Aufweichung der Mittelstandsklausel wäre dabei aber kontraproduktiv. Mit der Fach- und Teillosvergabe sei der Wiederaufbau in Deutschland nach dem Weltkrieg effektiv und schnell geleistet worden. Die Fach- und Teillosvergabe sei also nicht der Grund für die heutigen längeren Realisierungszeiten. Bislang gebe es auch keine Belege dafür, dass eine Gesamt- oder Konzernvergabe für schnellere Umsetzungen sorge.

Zudem sei die „zeitliche Komponente“, wie sie der Bundesrat vorschlägt, ein völlig neuer und unbestimmter Rechtsbegriff – mit all seinen Unabwägbarkeiten und Unsicherheiten für künftige erfahren.

Auch bestünden verfassungsrechtliche Bedenken, da der Vorrang der Losvergabe bislang gleiche Zugangschancen zu öffentlichen Aufträgen ermöglicht und so Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes (Art. 3 GG) sei.

Eine Aushöhlung des Vorrangs der Losvergabe hätte zusätzlich gravierende negative wirtschaftliche Folgen für die mittelständisch geprägte Planungs- und Bauwirtschaft. Über 98 Prozent der Bauunternehmen beschäftigen weniger als 100 Mitarbeitende, über 90 Prozent der Planungsbüros weniger als 50 – viele Architektenbüros sogar weniger als 10 Mitarbeitende. Eine faire Vergabe ist für diese kleinen Unternehmen, etliche davon „Start-ups“, existenziell. Die Stärkung kleiner und mittelständischer Planungsbüros ist im Interesse einer Erweiterung des Wettbewerbs bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen durch Teilnahme möglichst vieler Wettbewerber unbedingt erforderlich.

In ihrem Expertengutachten für die Bundesvereinigung Bau und den ZDH bewerten Professor Dr. rer. pol. Michael Eßig (Universität der Bundeswehr München) und Professor Dr. iur. Martin Burgi (Ludwigs-Maximilians- Universität München) die Bedeutung des Erhalts des Primats der Fach- und Teillosvergabe bei der öffentlichen Auftragsvergabe für Mittelstand und Wettbewerb aus beschaffungswirtschaftlicher und vergaberechtlicher Perspektive. Die Autoren kommen darin zu dem klaren Ergebnis, dass eine Aufweichung des Losgrundsatzes den Wettbewerb schwächt, kleine und mittlere Unternehmen vom Marktzugang ausschließt und zudem europarechtlich problematisch wäre.

Der Vorschlag der Bundesregierung sieht hingegen klar bestimmte Begriffe vor: Sondervermögen, Wertgrenze und Infrastruktur. Entgegen den Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände, ist eine Aushöhlung des Vorrangs der Losvergabe nach Einschätzung der Verbände gerade nicht im Interesse der Kommunen ist. Denn die Kommunen leben von den Gewerbesteuern, die die heimische Wirtschaft aufbringt. Bei Konzernvergaben würden sich die Kommunen genau diesen Ast absägen, auf dem sie sitzen. Wenn Kommunen sich angeblich nicht mehr zutrauen, mit ihren heimischen Handwerkern und Mittelständlern eine Vergabe zu organisieren, sollten sie erst recht die Finger von Vertragsverhandlungen mit internationalen Konzernen und großen Rechtsabteilungen lassen. Wohin das führt, kann man ja in den Kommunen sehen, die dies mit der Signa-Gruppe versucht haben.

Von Beginn eines Bauvorhabens bis zur Fertigstellung entfallen mittlerweile 85 Prozent der Zeit auf Planungs-, Genehmigungs- und Gerichtsverfahren. Lediglich 15 Prozent bei öffentlichen Bauvorhaben entfallen noch auf Vergabe und das eigentliche Bauen. Bisher gebe es keinen Beleg, dass eine Vergabe an einen Konzern, der gerade vor Ort keine Gewerbesteuer zahlt, tatsächlich zu einer Beschleunigung führt.

Daher sind die Verbände der Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen für den ausgewogenen Kompromiss im Paragraphen 97 Absatz 4 dankbar, der dafür sorgt, dass kleine, mittlere und große Unternehmen in Zukunft weiter für die öffentliche Hand bauen können, die regionale Wirtschaft gefördert, die Gewerbesteuereinnahmen stetig bleiben und den Kommunen damit dauerhaft geholfen ist.

Im laufenden Gesetzgebungsverfahren findet als nächster Schritt am 10. November 2025 eine öffentliche Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie im Deutschen Bundestag zum Vergabebeschleunigungsgesetz statt.

Einschätzungen des Expertengutachtens

1. In einer mittelständisch geprägten Wirtschaft, wie sie insbesondere im Bau- und Handwerksgewerbe vorliegt, ist es von besonderer Bedeutung und für die öffentlichen Auftraggeber auch von besonderem Interesse, dass sich kleine und mittlere Unterneh men (KMU) um öffentliche Aufträge bewerben. § 97 Abs. 4 S. 1 GWB sieht deshalb vor, mittelständische Interessen „bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen.“ Das zentrale Instrument hierfür ist der Grundsatz der Losvergabe nach § 97 Abs. 4 S. 2 GWB, wonach Leistungen in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben sind. Eine Durchbrechung ist aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen möglich (§ 97 Abs. 4 S. 3 GWB). Die Rechtsprechung hat der Praxis hierzu klare Vorgaben gemacht. Gefordert wird eine Abwägung, nicht (wie teilweise behauptet) die Geltendmachung objektiv zwingender Gründe. Zudem ist ein Beurteilungsspielraum für die Auftraggeber anerkannt.

2. Der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Vergabebeschleunigungsgesetzes will insbesondere die Zugangshürden für den Mittelstand durch weitgehende Bürokratieentlastung senken. Dennoch soll der Grundsatz der losweisen Vergabe partiell eingeschränkt werden, aber „nur“ zur Verwirklichung dringender Infrastrukturvorhaben im Zusammenhang mit dem neuen Sondervermögen und bei Überschreitung eines hohen Auftragswertes. Deutlich weiter möchte der Bundesrat gehen, dessen Stellungnahme eine zusätzliche Durchbrechung des Losgrundsatzes aus nicht näher spezifizierten „zeitlichen“ Gründen für sämtliche Arten von Aufträgen fordert. Dies entspricht exakt dem Regelungsvorschlag der Ampelregierung. Eine derart weite Aufweichung des Losgrundsatzes wirkt kontraproduktiv, weil KMU und Handwerksbetriebe dadurch faktisch von der Teilnahme am Markt ausgeschlossen werden: Ihre „Befreiung“ von Bürokratielasten besteht dann darin, dass sie in Zukunft gar keine oder signifikant weniger öffentliche Aufträge bekämen.

3. Aus beschaffungswirtschaftlicher Perspektive spielen KMU eine wichtige Rolle bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Es ist ausdrücklich im Sinne der öffentlichen Auftraggeber, die Rolle von KMU zu stärken – sowohl um den Wettbewerb über haupt zu ermöglichen, als auch, um die spätere Leistungserbringung sicherzustellen.
Die empirische Analyse auf Basis der Ausschreibungsdatenbank der Europäischen Kommission (TED) liefert Befunde zur Wettbewerbsintensität und zeigt, dass die durchschnittliche Zahl an Angeboten je Vergabe (als zentraler Indikator der Wettbewerbsintensität) für den Bereich Bau in den Jahren 2017 bis 2023 bei 3,71 Angeboten liegt (Mittelwert), während der Durchschnitt über alle Branchen hinweg 2,96 beträgt.
Der Anteil von KMU an der Anzahl vergebener Aufträge liegt zwischen 2017 und 2023 zwischen 59% und 83%, ihr Anteil am Volumen der vergebenen Aufträge zwischen 38% und 72%. Dies belegt die Schlüsselrolle von KMU im Bausektor, die damit einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung öffentlicher Investitionsprogramme leisten.

4. Eine Auswertung qualitätsgesicherter empirischer Studien zu den Einflussfaktoren zeigt, dass das Auftragsvolumen zentral und entscheidend für die prinzipielle wie auch erfolgreiche Beteiligung von KMU ist. Hier sind die Befunde eindeutig. Die Unterteilung von Aufträgen in „passende“ Volumina ermöglicht es KMU, überhaupt in Wettbewerbsverfahren einzutreten, da sie die Ressourcen für großvolumige Aufträge oftmals nicht bereitstellen können. Will der Gesetzgeber diesen Wettbewerb erhalten und sogar ausbauen, was angesichts der empirischen Daten geboten wäre, darf er auf
Instrumente der Volumensteuerung nicht verzichten. Die losweise Vergabe ist im Moment das einzige vergaberechtliche Instrument, das ihm dazu zur Verfügung steht.

5. Selbstverständlich bedarf es neben der Regulierung insbesondere auch einer guten Implementierung. Die Studienergebnisse zeigen, dass es einer sorgfältigen Gestaltung der Lose bedarf. Die Gruppe der KMU „in sich“ ist nicht homogen, d. h. die Volumenaufteilung wirkt noch stärker bei kleinen und Kleinstunternehmen. Eine ausgewogene Losbildung ist daher von zentraler Bedeutung für Vergabestellen, wollen sie erfolgreich Aufträge am Lieferantenmarkt platzieren. Insofern sind die Rahmenbedingungen in der Beschaffung dafür zu schaffen, in den jeweiligen Teilmärkten (namentlich der Baubranche) angemessen tätig werden zu können. Will man die volle
Wirkung eines „guten“ Wettbewerbs erreichen, sind flankierende Maßnahmen erforderlich. Die losweise Vergabe stellt einen wichtigen und relevanten, jedoch nicht allein ausschlaggebenden Einflussfaktor auf die Beteiligung von KMU an öffentlichen Vergaben dar.

6. Aus vergaberechtlicher Perspektive würde der in § 97 Abs. 1 S. 1 GWB als erstes Prinzip des Vergaberechts normierte Wettbewerbsgrundsatz signifikant geschwächt. Eine Aufweichung des Losgrundsatzes geriete aber auch mit dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB (in Spezifizierung des Art. 3 Abs.1 GG) in Konflikt. Denn durch die Entscheidung für eine Losvergabe werden überhaupt erst gleiche Wettbewerbsbedingungen eröffnet. Auf dem Spiel steht überdies die Verantwortung der öffentlichen Aufgabenträger für die Sicherstellung einer
erfolgreichen und rechtskonformen Erfüllung der jeweiligen Sachaufgaben im Interesse der Bürgerinnen und Bürger (Brückensanierung, Kita-Erweiterung, Geothermienutzung etc.). Sie besteht vor und nach der Zuschlagserteilung und beinhaltet eine möglichst rasche, dabei aber auch qualitativ hochwertige und resiliente Realisierung des jeweiligen Vorhabens.

7. Jede Rechtsänderung bei der Losvergabe würde in der Praxis zunächst für Rechtsunsicherheit sorgen und Nachprüfungsverfahren auslösen, dies in Relation zur Bestimmtheit des jeweiligen Regelungsvorschlags. Während der Regierungsentwurf die Anforderungen des Bestimmtheitsgebots wahrt, indem er den zeitlichen Aspekt an drei sachliche und eindeutig definierte Kriterien knüpft, begegnet der Vorschlag des Bundesrates insoweit erheblichen Bedenken.

Tag der Umbaukultur – Warum Deutschlands Zukunft im Bestand liegt

Tag der Umbaukultur – Warum Deutschlands Zukunft im Bestand liegt 1200 675 Bundesingenieurkammer

Interview mit Prof. Dr.-Ing. Martin Betzler, Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsen und Vorsitzender des Ausschusses „Umbauordnung“ der Bundesingenieurkammer, zum Tag der Umbaukultur am 8. November 2025.

Die Bundesstiftung Baukultur hat den 8. November als Tag der Umbaukultur ins Leben gerufen. Warum ist es wichtig, das Thema in den Mittelpunkt zu rücken und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen?

Martin Betzler: Die Umbaukultur adressiert die aktuellen zentralen Fragestellungen des ökonomischen und sozial-ökologischen Bauens. Zum einen steckt der Wohnungsbau – auch wenn im Moment eine leichte Erholung in Sicht ist – immer noch in einer Krise: Steigende Zinsen, hohe Material- und Energiepreise bremsen die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum massiv aus. Zum anderen wird immer klarer, dass wir uns Neubauten im alten Stil – also mit hohem Ressourcenverbrauch und Flächenversiegelung – ökologisch nicht mehr leisten können. Und wir haben in Deutschland rund 20 Millionen Gebäude, von denen etwa drei Viertel energetisch sanierungsbedürftig sind. Das bedeutet: Der größte Hebel für Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung liegt im Bestand, nicht im Neubau.

Ganz konkret: Welche Vorteile bietet das Bauen im Bestand?

Martin Betzler: Der offensichtlichste ist die Ressourcenschonung. Jedes bestehende Gebäude enthält enorme Mengen sogenannter „grauer Energie“, also Energie, die bereits in Bauprozesse, Materialien und Transport geflossen ist. Der Abriss vernichtet die im Gebäude gespeicherte graue Energie – sie kann nicht weiter genutzt werden, und die entstehenden Bauabfälle werden z. B. für Verfüllungen verwendet oder landen auf der Deponie. Ein echtes Baustoffrecycling findet allerding selten statt. Beim Bauen im Bestand werden außerdem  bestehende Infrastrukturen genutzt:  Straßen, Leitungen oder ÖPNV anstatt neue Flächen zu versiegeln. Ein weiterer Aspekt ist, dass gewachsene Stadtbilder und Identitäten erhalten bleiben. Dies ist für soziale Stabilität und Baukultur wichtig.

Bisher galten Umbauten vor allem als teurer oder komplizierter als Neubauten. Investoren bevorzugen noch immer den Neubau. Ist dies nachvollziehbar?

Martin Betzler: Bestandsgebäude bringen Überraschungen mit sich: Schadstoffe, alte Leitungen, unklarer Lastabtrag. Das macht Planung und Kostenabschätzung schwieriger und ist häufig mit höherem Aufwand verbunden. Dieser muss natürlich dann auch honoriert werden. Auch rechtlich ist der Bestand oft benachteiligt. Viele Baugesetze und Förderprogramme sind immer noch auf Neubauten ausgerichtet. Für Umbauten gelten teils dieselben Anforderungen wie für Neubauten – etwa beim Brandschutz oder der Barrierefreiheit, auch wenn diese technisch gar nicht immer 1:1 umsetzbar sind. Viele Umbauprojekte scheitern daran. Deshalb wird es ohne eine Umbauordnung nicht gehen – also eine angepasste Gesetzgebung speziell für das Bauen im Bestand.

Sie sind Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsen. Das Land hat 2024 in Sachen Umbau von sich Reden gemacht. Können Sie das kurz erläutern?

Martin Betzler: Die Änderungen der Niedersächsischen Bauordnung (NBauO) machen das Bauen im Bestand in Niedersachsen deutlich attraktiver und praxisnäher. Dank der neuen Bauordnung müssen in Niedersachsen bei gewissen Umbauten die heutigen Anforderungen nicht eingehalten werden, sondern die gültigen Vorschriften aus dem Jahr der Entstehung des Gebäudes. Durch geringere technische Anforderungen bei Bestandsmaßnahmen, schnellere Verfahren und einen stärkeren Fokus auf Umnutzung und Wohnraumschaffung wird Eigentümern und Bauherrinnen die Entscheidung erleichtert, bestehende Gebäude zu sanieren oder umzunutzen, statt neu zu bauen. Die Sicherheit, insbesondere die Standsicherheit, darf allerdings zurecht nicht angetastet werden. Wir würden uns freuen, wenn andere Länder hier nachziehen und ihre Bauordnungen umbaufreundlich gestalten.

Welche Rolle spielen die planenden Berufe?

Martin Betzler: Eine sehr große. Bauen im Bestand ist kein „Notbehelf“, sondern eine planerische und kreative Herausforderung. Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Architektinnen und Architekten müssen vorhandene Strukturen neu lesen, weiterdenken, transformieren. Gute Projekte zeigen, dass Umbau nicht nach Kompromiss aussieht, sondern neue Qualitäten schafft – räumlich, sozial und ökologisch. Zu den bekanntesten gehören die Umnutzung alter Industrieareale in Leipzig und Hamburg oder die Umnutzung von Büroflächen in Wohnflächen. Diese Orte haben heute eine ganz eigene Urbanität.

Wie sehen Sie die Zukunft? Wird der Neubau bald zur Ausnahme?

Martin Betzler: Ohne Neubau wird es natürlich nicht gehen – etwa, wenn Gebäude und Bauwerke wirklich marode sind oder neue Infrastrukturen entstehen müssen. Gleichzeitig müssen wir beim Neubau zukünftig auch den Lebenszyklus eines Bauwerks betrachten. Das bedeutet, dass wir bei der Entstehung des Bauwerks die spätere Umnutzung oder das Recycling von Materialien mitdenken.  Darüber hinaus werden wir künftig viel häufiger prüfen, ob wir etwas Bestehendes weiterverwenden können, bevor wir neu bauen. Dass der Neubau bald zur Ausnahme wird, glaube allerdings ich nicht. Insbesondere dann nicht, wenn wir es schaffen, zukünftig wieder einfacher und günstiger zu bauen – ohne komplizierte Gebäudetechnik und mit einfachen Grundrissen. Wir müssen versuchen, die Anforderungen an Umbauten weiter zu reduzieren. Zusätzlich sollte der Anwendungsbereich dieser erleichternden Vorschriften auch auf kleinere Anbauten und kleine Sonderbauten ausgeweitet werden. Dann wird der Bestand weiter an Bedeutung gewinnen.

Was muss sich ändern, damit das Bauen im Bestand leichter wird?

Martin Betzler: Erstens: einheitliche und angepasste Bauvorschriften, die Bestandssanierungen realistisch ermöglichen. Zweitens: verlässliche Förderbedingungen und steuerliche Anreize statt Bürokratie schaffen. Und drittens: ein Kulturwandel, weg von der Idee, dass „neu gleich besser“ ist. Wenn wir Gebäude als Ressource begreifen, dann hat die Bauwende wirklich eine Chance.

Tag der Umbaukultur
Jedes Jahr am 8. November ruft die Bundesstiftung Baukultur zum Tag der Umbaukultur auf. An diesem Tag im Jahr 2022 stellte die Stiftung ihren Baukulturbericht „Neue Umbaukultur“ vor. Seitdem ist die Notwendigkeit des klimaverträglichen, ressourcen- und kosteneffizienten Bauens im Bestand immer deutlicher geworden. Gleichzeitig weisen Kommunen nach wie vor neues Bauland aus, und Abriss und Neubau wird vielerorts dem Um-, An- und Weiterbauen vorgezogen.

Die BIngK trifft: Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU)

Die BIngK trifft: Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) 2560 1440 Bundesingenieurkammer

Am 3. November 2025 fand ein Treffen mit Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder und Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer, sowie dem Hauptgeschäftsführer der Bundesingenieurkammer, Martin Falenski, statt. Die zeitnahe Umsetzung des Sondervermögens wurde in dem Gespräch erörtert. Die Bundesingenieurkammer forderte in diesem Zusammenhang umgehende Maßnahmen für den Erhalt und, wenn nötig, den Neubau der Infrastrukturen und bot die Unterstützung der Ingenieurinnen und Ingenieure an.

Vor diesem Hintergrund wurden die Fragen diskutiert: Wie können Planungs- und Genehmigungsverfahren in Deutschland spürbar beschleunigt werden? Wie lässt sich der Aufbau zusätzlicher Planungskapazitäten zeitnah realisieren – insbesondere mit Blick auf die enormen infrastrukturellen Herausforderungen der kommenden Jahre? Und welche Rahmenbedingungen brauchen Planungsbüros, um diesen Aufgaben gerecht zu werden?

Ein zentrales Ergebnis: Politik und Wirtschaft müssen bei der Fachkräftesicherung deutlich enger zusammenarbeiten. Eine gemeinsame Fachkräfteinitiative ist notwendig, um mehr qualifizierte Planerinnen und Planer zu gewinnen und langfristig zu halten. Formate wie der Deutsche Brückenbaupreis – unter der Schirmherrschaft des Bundesverkehrsministers – leisten bereits heute einen wichtigen Beitrag, um Planungsleistungen sichtbarer zu machen und den Berufsnachwuchs zu motivieren.

Betont wurde von Seiten des Ministers, sich weiterhin für eine mittelstandsfreundliche Vergabe stark zu machen. Auch wenn unterschiedliche Vergabeformen möglich bleiben müssen, ist die Stärkung mittelständischer Strukturen erklärtes Ziel. Man sei sich der Innovationskraft und Qualität im Planungssektor durch die Ingenieurbüros bewusst.

Zudem wurde die faire Vergütung von Planungsleistungen diskutiert. Dr.-Ing. Heinrich Bökamp und Martin Falenski machten auf die dringend erforderliche Wiederaufnahme der Novellierung der HOAI aufmerksam. Nur mit einer modernen und praxistauglichen Honorarordnung lassen sich langfristig resiliente, leistungsfähige und faire Planungsstrukturen sichern.

Für schnellere Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung braucht es Fachkräfte, die richtigen Rahmenbedingungen und gemeinsames Handeln. Die Bundesingenieurkammer und die Länderingenieurkammern werden diesen Prozess auch künftig aktiv begleiten – mit Impulsen aus der Praxis, konstruktiven Vorschlägen und klarer Haltung.

Pläne des Bundesverkehrsministeriums
In dieser Legislaturperiode werden 166 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen bereitgestellt. Davon fließen 107 Milliarden Euro in die Schiene, 52 Milliarden Euro in die Bundesstraßen und 8 Milliarden Euro in die Wasserstraßen. Zum Vergleich: In den Jahren davor (2020-2024) waren es 102 Milliarden Euro.

Zunächst stehen laut Bundesverkehrsministerium (BMV) die Sanierung und der Erhalt im Vordergrund, insbesondere beim Schienennetz und den Autobahnbrücken. Etwa 4.000 Brücken müssen aktuell saniert werden. Der Plan des Ministeriums ist es, bis zum Jahr 2032 einen Großteil dieser 4.000 Brücken saniert zu haben. Im Bundeshaushalt 2025 sind aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz 2,5 Milliarden Euro für die Brückensanierung geplant, in den kommenden Jahren dann weitere Milliarden Euro.

Insgesamt stehen dem BMV im Jahr 2026 rund 33,7 Milliarden Euro für Verkehrsinvestitionen zur Verfügung – finanziert aus dem Einzelplan 12, dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ (SVIK) sowie dem Einzelplan 14 (für Erhaltungs- und Ausbaumaßnahmen im Bereich Schiene und Straße). Mit dem Sondervermögen sollen dabei die Schwerpunkte auf die Brückenmodernisierung an Autobahnen sowie die Sanierung und Digitalisierung des Schienennetzes gesetzt werden.

Doch das Geld allein reicht nicht. Es muss auch schnell und wirksam eingesetzt werden. Um die Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, setzt die Bundesregierung laut eigenen Angaben auf die nachfolgenden Maßnahmen:

  • Verfahren sollen konsequent digitalisiert und flexibler gestaltet werden
  • einheitliches Verfahrensrecht für Infrastrukturprojekte
  • Doppelprüfungen sollen abgebaut werden
  • Fristen sollen verkürzt werden
  • das Verbandsklagerecht soll gestrafft werden

Bau-Turbo trifft Praxis: Umsetzungslabor startet am 10. November

Bau-Turbo trifft Praxis: Umsetzungslabor startet am 10. November 722 406 Bundesingenieurkammer

Das „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ hat den zweiten Durchgang im Bundesrat passiert und kann jetzt die praktische Umsetzung starten. Im Rahmen einer Online-Konferenz mit über 2.500 Anmeldungen hat Bundesbauministerin Verena Hubertz am 17. Oktober 2025 gemeinsam mit einem Expertenteam des BMWSB Fragen von kommunalen Vertreterinnen und Vertreter beantwortet. Dabei wurde das neue Umsetzungslabor für den Bau-Turbo vorgestellt. Es fokussiert auf die Startphase des Bau-Turbos und bietet in Werkstattatmosphäre eine Lernumgebung für alle, die vor Ort schneller bauen wollen.

Das Umsetzungslabor vernetzt deutschlandweit Kommunen und bringt Wissen und Erfahrungen zusammen. Ziel ist es, Praxisbeispiele zu zeigen, Fragen zu klären und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Den Prozess koordiniert die Bauwende Allianz, getragen von Project Together, und wird vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) als wissenschaftlicher Partner begleitet. Im Rahmen des Umsetzungslabors soll ein Praxisleitfaden entstehen, der Interessierte dabei unterstützen soll, den Bau-Turbo erfolgreich anzuwenden. Das Projekt läuft bis März 2026.

Nach der digitalen Auftaktveranstaltung folgt am 10. November die Bau-Turbo-Werkstatt. Unter folgendem Link ist eine Anmeldung zur digitalen Teilnahme möglich: Umsetzungslabor Projecttogether

Weitere Informationen zum Umsetzungslabor und zur Werkstatt finden Sie unter: www.umsetzungslabor-bauturbo.de

Informationen zum Bau-Turbo

Der Bau-Turbo und das Umsetzungslabor zielen auf folgende Anpassungen des Baugesetzbuches ab:

  • Neueinführung § 246e (Bau-Turbo)
    Erlaubt befristet ein Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften. Wenn die Gemeinde sich entscheidet, den Bau-Turbo anzuwenden, können zusätzliche Wohnungen bereits nach einer dreimonatigen Prüfung durch die Gemeinde, ohne Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans zugelassen werden. Dies erlaubt es durch Neubau, Umbau oder Umnutzung zügig neuen Wohnraum zu schaffen. Die Regelung ist bis 31. Dezember 2030 befristet.
  • Anpassung § 31 Absatz 3 BauGB
    § 31 Absatz 3 BauGB ermöglicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mehr Wohnbebauung auch über die Vorgaben des Plans hinaus. So kann beispielsweise in einer ganzen Straße durch Aufstockung, Anbauten oder Bauen in der zweiten Reihe neuer Wohnraum geschaffen werden.
  • Anpassung § 34 Absatz 3b BauGB
    § 34 Absatz 3b BauGB ermöglicht im unbeplanten Innenbereich nun über die bisher bestehenden Möglichkeiten hinaus auch die Neuerrichtung von Wohngebäuden dort, wo sie sich nicht in den Bebauungszusammenhang einfügen.
  • Die Nachverdichtung wird einfacher.
    Durch den Bau-Turbo, aber auch die Änderungen in den §§ 31 Abs. 3 und 34 BauGB wird insbesondere die Nachverdichtung einfacher, zum Beispiel die nachträgliche Aufstockung von Gebäuden oder eine ergänzende Hinterlandbebauung.
  • Der Außenbereich wird behutsam geöffnet.
    In vielen Städten und Gemeinden wird verfügbares Bauland immer knapper. Deshalb soll mit Hilfe des Bau-Turbos künftig auch im sogenannten Außenbereich (also in Gebieten ohne Bebauungsplan und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils) einfacher neuer Wohnraum geschaffen werden können. Gebaut werden soll nur im räumlichen Zusammenhang mit bestehenden Siedlungen. Hat ein Vorhaben voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen, ist eine Strategische Umweltprüfung durchzuführen.
  • Die kommunale Selbstverwaltung der Gemeinden wird gestärkt.
    Das letzte Wort darüber, wie der Bau-Turbo konkret eingesetzt wird, haben die Gemeinden vor Ort. Dazu bleibt das Zustimmungserfordernis der Gemeinden bestehen. Dazu wurde das Zustimmungserfordernis der Gemeinden ausdrücklich in § 36a BauGB geregelt.
Verleihfeier Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland am 30. Oktober 2025: Müngstener Brücke

Bundesingenieurkammer zeichnet Müngstener Brücke aus

Bundesingenieurkammer zeichnet Müngstener Brücke aus 2560 1706 Bundesingenieurkammer

Die Bundesingenieurkammer zeichnete am 30. Oktober 2025 die Müngstener Brücke als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland aus. Die Eisenbahnbrücke zwischen Solingen und Remscheid gilt seit ihrer Eröffnung im Jahr 1897 als technisches Meisterwerk und Ausweis deutscher Ingenieurbaukunst. Mit einer Höhe von 107 m, 170 m Spannweite und einer Länge von 465 m ist sie ein Symbol für den Pioniergeist des späten 19. Jahrhunderts. Bis heute ist sie die höchste Eisenbahnbrücke Deutschlands.  

Erbaut in einer Zeit intensiven internationalen Wettbewerbs im Brückenbau, stellte die Müngstener Brücke die Innovationskraft deutscher Ingenieure eindrucksvoll unter Beweis. Besonders die Konstruktion des eingespannten, parabelförmigen Bogens, der Material sparte und neue Maßstäbe setzte, machte sie zu einer technischen Sensation. Entworfen wurde die Brücke von Anton Rieppel und Bernhard Rudolf Bilfinger. Durch den freien Vorbau der beiden Bogenhälften machte der Bau von sich reden.

Trotz zweier Weltkriege blieb das Bauwerk erhalten. Allerdings fanden nach den 1960er Jahren keine umfassenden Instandsetzungsarbeiten mehr statt. Nach Teilsperrungen und Diskussionen um einen Abriss und Brückenneubau, führte die Deutsche Bahn 2013 bis 2021 für 30 Millionen Euro eine Grundinstandsetzung durch.

Müngstener Brücke soll Unesco-Welterbe werden
Gemeinsam mit internationalen Partnern erfolgt aktuell die Bewerbung für die Aufnahme der Müngstener Brücke in die Unesco-Welterbeliste. In einem Verbundantrag wird sie zusammen mit weiteren Fachwerkbogenbrücken des 19. Jahrhunderts in Europa nominiert. Eine Anerkennung als Unesco-Welterbe würde nicht nur die Einzigartigkeit der Müngstener Brücke würdigen, sondern auch verdeutlichen, wie Ingenieure jener Zeit über Ländergrenzen hinweg voneinander lernten und so den technischen Fortschritt in Europa entscheidend vorantrieben.

Müngstener Brücke feierlich ausgezeichnet
Die Verleihfeier der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen fand im Brückenpark Müngsten statt. Dr.-Ing. Heinrich Bökamp, Präsident der Bundesingenieurkammer und Präsident der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen, betonte in seiner Rede:

„Die Müngstener Brücke sorgte vor mehr als hundert Jahren als technisches Meisterwerk für Aufsehen. Noch heute ist sie eine der höchsten Eisenbahnbrücken Europas und überspannt imposant die Wupper. Wir als Bundesingenieurkammer unterstützen die Bewerbung als Unesco-Welterbe, prägt der Brückenbau doch bis heute die Region und stiftet Identität.“

Weitere 31 Bauwerke wurden bisher aufgrund ihrer Bedeutung für den deutschen Ingenieurbau als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland gewürdigt, davon zwei in Nordrhein-Westfalen.

Über die Auszeichnung
Die Bundesingenieurkammer ehrt seit 2007 historisch bedeutende Ingenieurbauwerke mit dem Titel „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“. Voraussetzung ist, dass sich die Bauwerke in Deutschland befinden und älter als 50 Jahre sind. Die Auszeichnungsreihe wird vom Bundes­ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, den Ingenieurkammern der Länder und dem gemeinnützigen Förderverein „Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ unterstützt.

Daten & Fakten

Lage: zwischen Solingen und Remscheid, im Regierungsbezirk Düsseldorf
Bauherr: Königliche Eisenbahndirektion Elberfeld, übergeordnete Behörde: Preußisches Ministerium der öffentlichen Arbeiten
Ausführende Firma: Maschinenbau-Actien-Gesellschaft Nürnberg (später MAN), Werk Gustavsburg (Mainz)

Verantwortliche Ingenieure:
Direktor Anton Rieppel (1852 – 1926),
Oberingenieur Bernhard Rudolf Bilfinger (1829 – 1897),
Oberingenieur Max Carstanjen (1856 – 1934),
Ingenieur Hans Herrmann (1865 – 1932)

Bauleitung in Müngsten:
Ingenieur Johannes Möbus,
Ingenieur Friedrich Bohny (1867 – 1939)

Arbeiter und Angestellte: auf der Baustelle etwa 150 Arbeiter, im Werk Gustavsburg etwa 350 Arbeiter und Angestellte
Baustellenunfälle: 6 Todesopfer

Bauweise: zweigleisige Eisenbahnbrücke, genieteter Fachwerkbogen
Form: Parabelbogen, ohne Gelenke, an den beiden Kämpfern eingespannt, Bogen nach oben verjüngend, an den Bogen anschließend: Einfeldträger als Parallel-Fachwerkträger (sogenannte Gerüstbrücken)
Höhe über dem Talgrund: 107 m

Spannweite des Bogens: 170 m (äußerer Bogengurt: 180 m, innerer Bogengurt: 160 m)
Pfeilhöhe des Bogens: 67 m
Gesamtlänge der Brücke: 465 m
Gesamtgewicht der Eisenkonstruktionen: 4 845 Tonnen

Bauverfahren: Transportbrücke aus Holz und Eisen, Bredtsche Drehkrahne, Freivorbau des Bogens, verstellbare Bogenwiderlager, beim Bogenschluss Wechsel vom statisch bestimmten System mit Gelenken zum statisch unbestimmten System ohne Gelenke

Material: 4 735 Tonnen basisches Thomas-Flusseisen, überwiegend aus Lothringen (de Wendel in Hayingen in Lothringen, französisch: Hayange)
Zugfestigkeit min. 370 N/mm2, max. 440 N/mm2, Bruchdehnung mind. 20 %, Streckgrenze mind. 250 N/mm2
außerdem: 125 Tonnen basisches Martin-Flusseisen als Gußstahl, überwiegend von der Gute Hoffnungshütte Oberhausen geliefert
Nieten: etwa 950.000, aus Schweißeisen, noch sämtlich von Hand genietet (obwohl zu diesem Zeitpunkt auf anderen Baustellen teilweise bereits elektrische Nietmaschinen eingesetzt wurden)

Zulässige Spannungen: zwischen 85 und 125 N/mm2 (je nachdem ob unmittelbar durch Stöße infolge überfahrender Lokomotiven oder nur durch ruhende Lasten und Winddruck beansprucht)

Kostenvoranschlag: 2,2 Millionen Mark
Tatsächliche Kosten: 2,7 Millionen Mark

Fotos Verleihfeier © Christian Holtmann
Fotos Müngstener Brücke © Hello Studio W

Arbeitskreis Vergabe wählt Vorsitzenden

Arbeitskreis Vergabe wählt Vorsitzenden 1239 697 Bundesingenieurkammer

Am 29. Oktober 2025 traf sich der Arbeitskreis Vergabe der Bundesingenieurkammer in Berlin. Nach Ablauf der Wahlperiode von fünf Jahren konstituierte sich der Arbeitskreis turnusmäßig neu. Als Vorsitzender wurde Werner Weigl (Bayerische Ingenieurekammer-Bau) im Amt bestätigt, auch dem stellvertretender Vorsitzenden Alexander Petschulat (Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen) sprachen die Arbeitskreismitglieder erneut das Vertrauen aus.

Eine zentrale Arbeit des Arbeitskreises war und ist es, die mittelstandsfreundliche Vergabe für mehr und fairen Wettbewerb zu erhalten. So wird der Grundsatz der losweisen Vergabe als Regelfall aktuell im Gesetzgebungsvorhaben zum Vergabebeschleunigungsgesetz wieder in Frage gestellt und es gilt, Aufweichungen davon zu begrenzen.

Daneben hat sich die Bundesingenieurkammer gemeinsam mit weiteren Verbänden in den letzten Jahren für ein alternatives Beschaffungsmodells eingesetzt, das kleinen und mittelständischen Planungsbüros eine bessere Teilnahme am Markt ermöglicht. Die Beauftragung des sogenannten Burgi-Gutachtens sowie die Erläuterung mit den Kommunen, wurden ebenfalls vom Arbeitskreis initiiert. Im Rahmen der derzeit anstehenden Reform der EU-Vergaberichtlinien hat der Arbeitskreis ebenfalls eine Stellungnahme erarbeitet.

Auch Vergabebeschleunigungsgesetz und Verfahrensarten für Planungsleistungen sind aktuelle Entwicklungen, die den Arbeitskreis auch bei seiner weiteren Arbeit beschäftigen werden. Die Vertreterinnen und Vertreter der 16 Länderkammern treffen sich regelmäßig sowohl in Präsenz als auch online oder im hybriden Veranstaltungsformat.

Bildunterschrift: v.l.n.r.: Stephan von Friedrichs, Anja Boden, Jörg Gothow, Armin Uhrig, Andreas Ebert, Werner Weigl, Alexander Petschulat, Torsten Sasse, Markus Balkow, Christian Schwarz, Thomas Haustein, Matthias Wolf, Stefan Jungmann, am Bildschirm: Katja Hennig, Marion Pristl, Davina Übelacker ©BIngK

Aktivrente: Selbstständige nicht vergessen

Aktivrente: Selbstständige nicht vergessen 2560 1438 Bundesingenieurkammer

Der im Koalitionsausschuss von CDU/CSU und SPD beschlossene Plan einer sogenannten Aktivrente stößt beim Bundesverband der Freien Berufe (BFB) grundsätzlich auf Zustimmung. Die Aktivrente will Menschen motivieren, länger zu arbeiten oder wieder einzusteigen. Auch und gerade in den Freien Berufen ist der Mangel an Arbeitskräften schon heute sichtbar und wird auch durch den demografischen Wandel weiter zunehmen. Deshalb ist es wichtig, dass auch die rund 1,5 Millionen Selbstständigen im Bereich der Freien Berufe berücksichtigt werden.

Dieses Potenzial der Selbstständigen sollte noch stärker genutzt werden. Der BFB schlägt konkret vor, im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Evaluierung die Einbeziehung von Selbstständigen ab 2026 möglich zu machen und die Wirkung bis Ende 2030 zu überprüfen. Gerade vor dem Hintergrund des Koalitionsversprechen, Selbstständige stärken zu wollen, wäre dies ein realistischer Schritt mit Signalwirkung.

Nach der bisher geplanten gesetzlichen Regelung sollen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze weiterarbeiten bis zu 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können. Der Anwendungsbereich ist dabei ausdrücklich auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschränkt, Selbständige und Freiberufler sind davon nicht erfasst.

Die Bundesingenieurkammer wirbt im Verbund mit dem Bundesverband der Freien Berufe (BFB) in politischen Gesprächen um die Einbeziehung von Freiberuflern in die geplante gesetzliche Regelung.

Petition läuft bis Mitte Dezember
Zusätzlich haben der Verband der Gründer und Selbstständigen (VGSD) und die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) gemeinsam die Petition „Aktivrente auch für Selbstständige: Wir sind keine Erwerbstätigen zweiter Klasse!“ gestartet.

Müngstener Brücke Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland

Die Müngstener Brücke: um 1900 eines der bekanntesten Ingenieurbauwerke Deutschlands

Die Müngstener Brücke: um 1900 eines der bekanntesten Ingenieurbauwerke Deutschlands 2560 1440 Bundesingenieurkammer

Zwischen Solingen und Remscheid spannt sich über das tief eingeschnittene Tal der Wupper die Müngstener Brücke. 1897 eröffnet galt sie im wilhelminischen Kaiserreich als Meisterleistung deutscher Brückenbaukunst. Unzählige Postkarten zeigten das Motiv der Bogenbrücke, häufig im Größenvergleich zu anderen berühmten Bauwerken wie dem Kölner Dom oder eingebettet in die wildromantische, damals wie heute viel besuchte Landschaft.

Brückenbau als Königsdisziplin
Als Kaiser-Wilhelm-Brücke war sie ein Vorzeigeprojekt wie kaum ein anderes Brückenbauwerk, sie war ein viel beachteter Beitrag in dem damals zwischen den Industrienationen ausgetragen Wettkampf um technische Innovationen und Größenrekorde, denn gerade der Eisenbrückenbau galt damals im ausgehenden 19. Jahrhundert als Königsdisziplin des Ingenieurbaus. Die deutschen Ingenieure waren genauestens über die Fortschritte im britischen und im französischen Brückenbau informiert, mit der Eisenbahnbrücke über die Wupper wollten sie insbesondere die spektakulären Brückenbauten von Gustave Eiffel übertreffen, was ihnen in mancher Hinsicht auch gelang. 

Die Bundesingenieurkammer zeichnet am 30. Oktober 2025 die Müngstener Brücke als Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland aus.

 

Eingespannter Bogen
Die Müngstener Brücke gilt mit einer Höhe von 107 Metern über dem Talgrund noch heute als eine der höchsten Eisenbahnbrücken Europas. Im Unterschied zu vielen großen Fachwerkbogenbrücken, die zuvor gebaut wurden, hat der parabelförmige Bogen weder am Scheitel noch an den Auflagerpunkten Gelenke – der rund 170 Meter weit spannende Bogen ist an den Kämpfern eingespannt. Dies erfordert große Aufstandsflächen an den Fußpunkten, während sich der Fachwerkbogen nach oben, zum Scheitel hin verjüngt. Der wichtigste Vorteil des eingespannten Bogens: eine deutliche Materialeinsparung gegenüber dem Zwei- oder dem Dreigelenkbogen.

Das dreifach statisch unbestimmte System war damals allerdings nur schwer analytisch zu erfassen. Den Ingenieuren war bewusst, dass Temperaturdehnungen, Imperfektionen und Rechenungenauigkeiten zu großen Eigenspannungen führen können. Mehrfach waren neuerliche statische Berechnungen erforderlich und dennoch blieb ein Rest an Ungewissheit: Der Bau war zweifelsohne ein Wagnis.

Zur Sicherstellung eines möglichst zwängungsfreien Aufbaus der Eisenkonstruktion waren zahlreiche, bisher noch wenig erprobte Vorkehrungen erforderlich. Dazu zählten mit großen Gewindeschrauben horizontal und vertikal justierbare Auflagerstühle an den Fußpunkten des Bogens.

Freivorbau mit zusätzlichen Rückverankerungen
Mit Staunen beobachteten die vielen Besucher der Baustelle in Müngsten den freien Vorbau der beiden Bogenhälften, die mit dicken Drahtseilen zusätzlich rückverankert waren. So konnte der Bogen ohne aufwändiges Lehrgerüst frei auskragend über dem Tal errichtet werden. Die Arbeiter bewegten sich auf fliegenden Gerüsten in schwindelerregender Höhe. Nicht nur die Fachpresse berichtete regelmäßig über den Baufortgang. Die zahlreichen Baustellenfotografien vermitteln heute noch ein anschauliches Bild der einzelnen Bauzustände.

Auch die Bogenbrücken von Gustave Eiffel – allen voran der 1884 fertig gestellte und ähnlich weit spannende Garabit-Viadukt im französischen Zentralmassiv – wurden ohne Lehrgerüste und mit Rückverankerungen der auskragenden Bogenteile errichtet. Da die Fußpunkte dieser französischen Fachwerkbögen gelenkig gelagert sind, waren dort noch aufwändigere Zugseile notwendig als beim eingespannten Bogen in Müngsten, dessen Hälften sich im Bauzustand bis zu einer gewissen Auskragung mittels der Einspannung an den Fußpunkten auch ohne zusätzlich Hilfe im Gleichgewicht hielten.

Elektrisch betriebene Bredtsche Drehkrane
Auf den Enden des parallel mit den beiden Bogenhälften errichteten horizontalen Fahrbahnträgers arbeiteten elektrisch betriebene Drehkrane, die der aus Wuppertal (Barmen) stammende Maschinenbauingenieur Rudolf Bredt, Eigentümer der Kranfabrik Stuckenholz in Wetter an der Ruhr, entwickelt hatte.

Diese besaßen ein bewegliches Kontergewicht, das je nach Größe der Hakenlast ein- oder ausgefahren wurde. So konnte man auf den sonst üblichen, überdimensionierten Kranballast verzichten. Die Hauptträger wurden dadurch im Bauzustand weitaus weniger belastet. Den Strom für die beiden Drehkrane und für andere Baustelleneinrichtungen lieferten zwei auf der Baustelle installierte und mit Dampf betriebenen Dynamos mit einer Leistung von je 23 PS.

Eisenbahnbrücken von MAN in Gustavsburg
Nach mehreren Vorentwürfen durch die Eisenbahndirektion und einer beschränkten Ausschreibung unter den vier damals führenden Brückenbauanstalten hatte die Maschinenbau-Actien-Gesellschaft Nürnberg 1893 den Auftrag zur Bauausführung erhalten. 1898, ein Jahr nach Fertigstellung der Müngstener Brücke fusionierte die Maschinenbau-Actien-Gesellschaft Nürnberg mit der Maschinenfabrik Augsburg zum weltweit agierenden Großkonzern MAN.

Alle Eisenteile der Müngstener Brücke wurden in der MAN-Niederlassung in Gustavsburg bei Mainz gefertigt. Das Werk dort hatte zuvor zahlreiche andere große Eisenbahnbrücken errichtet und mit der 156 Meter weit spannenden Grünenthaler Hochbrücke (Bogenbrücke mit Kämpfergelenken) über den Nord-Ostsee-Kanal 1892 einen vorläufigen nationalen Rekord aufgestellt.

Die planenden Ingenieure
Mit der Müngstener Brücke ist bisher vor allem ein Name verbunden: Anton Rieppel. Er war seit 1889 in die Leitung der Maschinenbau AG Nürnberg berufen worden und ab 1892 der alleinige Vorstand, in dieser Funktion trieb er dann die Fusion mit der Maschinenfabrik Augsburg voran; später war er dann Generaldirektor der MAN. Seine steile Karriere im Kaiserreich bis hin zur Verleihung des Adelstitels zeigt, wie das Ingenieurwesen damals an gesellschaftlicher Reputation gewann.

Obwohl Anton Rieppel während der Planungen und dem Bau der Müngstener Brücke in Nürnberg voll auf mit der Umwandlung der Firma in einen Großkonzern beschäftigt war und nur selten zur Fertigungsstätte nach Gustavsburg oder gar zur Baustelle nach Müngsten kam, stilisierte er sich später zum genialen Schöpfer der Müngstener Brücke. Tatsächlich waren es vor allem andere Ingenieure, die wesentlich zum Gelingen des Prestigeprojekts beitrugen. Manche von ihnen durchliefen danach ebenfalls beachtenswerte Karrieren, während andere heute weitgehend vergessen sind.

Zu letzteren gehört Bernhard Rudolf Bilfinger. Er war ab 1888 Erster Technischer Direktor des Werkes Gustavsburg und hatte zuvor fast vier Jahrzehnte lang als Chefingenieur für die Pforzheimer Eisenwerke und Maschinenfabrik Gebrüder Benckiser viele Eisenbahnbrücken im In- und Ausland geplant und ausgeführt, einschließlich der Einführung des Taktschiebeverfahrens für große, statisch unbestimmte Durchlaufträgerbrücken. Bilfingers Sohn Bernhard Karl Bilfinger war bereits 1887 in die Brückenbauanstalt Gustavsburg als leitender Ingenieur und Zweiter Direktor eingetreten. Beide Bilfinger Ingenieure trugen mit ihren Brückenkonstruktionen wesentlich zum erneuten Aufstreben der Brückenbauanstalt bei, die 1884 noch von der Schließung bedroht war. So gehen der Entwurf, das Bauverfahren im Freivorbau wie auch die statische Berechnung der Müngstener Brücke auf Bernhard Rudolf Bilfinger zurück. Durch dessen frühen Tod sechs Wochen nach Vollendung des Bauwerks und die spätere Aneignung der alleinigen Urheberschaft durch Anton Rieppel geriet sein zentrales Mitwirken in Vergessenheit.

Unbeschadet durch zwei Weltkriege
Anders als viele andere großen Brücken wurde die Müngstener Brücke im Zweiten Weltkrieg weder durch Bombenangriffe getroffen noch durch die zurückweichenden deutschen Truppen gesprengt. Allerdings fanden nach den 1960er Jahren keine umfassenden Instandsetzungsarbeiten mehr statt.

Nach Teilsperrungen und Diskussionen um einen Abbruch der Müngstener Brücke und den Bau einer neuen Eisenbahnbrücke führte die Deutsche Bahn 2013 bis 2021 für 30 Millionen Euro eine Grundinstandsetzung durch.

UNESCO-Welterbe?
Bereits 1985 erfolgte der Eintrag in die Denkmalliste, seit 2012 ist das Bauwerk zudem ein Kulturgut von nationaler Bedeutung. Zugleich bemühen sich die Städte Solingen, Remscheid und Wuppertal das öffentliche Interesse an diesem einzigartigen Ingenieurbauwerk nach Kräften zu fördern.

Hierzu zählen auch die Vorbereitungen für eine Bewerbung der Müngstener Brücke um die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste. Nachdem das Land Nordrhein-Westfalen zunächst eine Aufnahme in die bundesdeutsche Tentativliste zur Nominierung zurückstellte, zugleich aber die Ausarbeitung eines transnationalen Antrags mit Vergleichsbeispielen in Europa empfahl, wird nun ein Antrag gemeinsam mit vier anderen bekannten eisernen Fachwerkbogenbrücken des späten 19. Jahrhunderts erarbeitet: der Ponte Maria Pia und der Ponte Dom Luís I in Portugal sowie dem Garabit- und dem Viaur-Viadukt in Frankreich. Eine weitere spektakuläre Bogenbrücke, die Ponte San Michele in Italien, Region Lombardei, ist im Antragsverfahren leider nicht mehr beteiligt, da inzwischen direkt neben dem historischen Bauwerk ein Brückenneubau geplant wird.

Eine Aufnahme der Müngstener Brücke in die UNESCO-Welterbeliste gemeinsam mit den Bogenbrücken in Portugal und Frankreich bietet die einmalige Chance, zu veranschaulichen wie sich die Ingenieure im späten 19. Jahrhundert trotz der nationalen Differenzen und Anfeindungen intensiv über die Grenzen hinweg austauschten, die jeweils bessere konstruktive Lösung adaptierten und so den Stand der Technik nicht nur im eigenen Land, sondern in ganz Europa voranbrachten.

Daten & Fakten

Lage: zwischen Solingen und Remscheid, im Regierungsbezirk Düsseldorf
Bauherr: Königliche Eisenbahndirektion Elberfeld, übergeordnete Behörde: Preußisches Ministerium der öffentlichen Arbeiten
Ausführende Firma: Maschinenbau-Actien-Gesellschaft Nürnberg (später MAN), Werk Gustavsburg (Mainz)

Verantwortliche Ingenieure:
Direktor Anton Rieppel (1852 – 1926),
Oberingenieur Bernhard Rudolf Bilfinger (1829 – 1897),
Oberingenieur Max Carstanjen (1856 – 1934),
Ingenieur Hans Herrmann (1865 – 1932),

Bauleitung in Müngsten:
Ingenieur Johannes Möbus,
Ingenieur Friedrich Bohny (1867 – 1939)

Arbeiter und Angestellte: auf der Baustelle etwa 150 Arbeiter, im Werk Gustavsburg etwa 350 Arbeiter und Angestellte
Baustellenunfälle: 6 Todesopfer

Bauweise: zweigleisige Eisenbahnbrücke, genieteter Fachwerkbogen
Form: Parabelbogen, ohne Gelenke, an den beiden Kämpfern eingespannt, Bogen nach oben verjüngend, an den Bogen anschließend: Einfeldträger als Parallel-Fachwerkträger (sogenannte Gerüstbrücken)
Höhe über dem Talgrund: 107 m

Spannweite des Bogens: 170 m (äußerer Bogengurt: 180 m, innerer Bogengurt: 160 m)
Pfeilhöhe des Bogens: 67 m
Gesamtlänge der Brücke: 465 m
Gesamtgewicht der Eisenkonstruktionen: 4 845 Tonnen

Bauverfahren: Transportbrücke aus Holz und Eisen, Bredt´sche Drehkrahne, Freivorbau des Bogens, verstellbare Bogenwiderlager, beim Bogenschluss Wechsel vom statisch bestimmten System mit Gelenken zum statisch unbestimmten System ohne Gelenke

Material: 4 735 Tonnen basisches Thomas-Flusseisen, überwiegend aus Lothringen (de Wendel in Hayingen in Lothringen, französisch: Hayange)
Zugfestigkeit min. 370 N/mm2, max. 440 N/mm2, Bruchdehnung mind. 20 %, Streckgrenze mind. 250 N/mm2
außerdem: 125 Tonnen basisches Martin-Flusseisen als Gußstahl, überwiegend von der Gute Hoffnungshütte Oberhausen geliefert
Nieten: etwa 950.000, aus Schweißeisen, noch sämtlich von Hand genietet (obwohl zu diesem Zeitpunkt auf anderen Baustellen teilweise bereits elektrische Nietmaschinen eingesetzt wurden)

Zulässige Spannungen: zwischen 85 und 125 N/mm2 (je nachdem ob unmittelbar durch Stöße infolge überfahrender Lokomotiven oder nur durch ruhende Lasten und Winddruck beansprucht)

Kostenvoranschlag: 2,2 Millionen Mark
Tatsächliche Kosten: 2,7 Millionen Mark

AG Mittelstand legt Mittelstandsmonitor vor

AG Mittelstand legt Mittelstandsmonitor vor 1920 1080 Bundesingenieurkammer

In einem Mitte Oktober 2025 gemeinsamen veröffentlichten Positionspapier, betonen die Verbände der „Arbeitsgemeinschaft Mittelstand“ die angespannte Lage im Mittelstand nach mehr als zwei Jahren Corona-Pandemie und Monaten des russischen Krieges in der Ukraine. Für tausende mittelständische Unternehmen droht es unter den aktuellen Bedingungen nicht mehr weiterzugehen. Die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand appelliert daher an die Politik, weitere Anstrengungen zur Stabilisierung des Wirtschaftsstandortes zu unternehmen. In Krisenzeiten kommt es für den Mittelstand auf rasches und konsequentes politisches Handeln an. Mit konkreten Maßnahmen in der Energiepolitik sowie in der Steuer- und Abgabenpolitik, mit einem Belastungsmoratorium, auch für den Bereich der Mittelstandsfinanzierung, und Verbesserungen in der Infrastruktur können die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um die Krise zu meistern.

Handlungsbedarf besteht aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Mittelstand insbesondere in der Energiepolitik. Ziel sollte sein, Energieversorgungssicherheit zu bezahlbaren und international konkurrenzfähigen Preisen sicherzustellen. Der Mittelstand fordert dazu eine schnelle Umsetzung der Gas- und Strompreisbremse sowie ergänzende Unterstützung in Härtefällen. Die Senkung der Stromsteuer auf das EU-weit zulässige Minimum und die Bündelung des Gaseinkaufs der EU-Länder sind wichtige Maßnahmen, um die Herausforderungen der Energiekrise anzugehen.

Für viele mittelständische Unternehmen waren die vergangenen Jahre der Corona-Pandemie mit beispiellosen Einschränkungen verbunden. In der aktuellen Krise sind viele Betriebe an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit. Die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand fordert daher ein Belastungsmoratorium für den Mittelstand, das diesen Namen auch verdient. Die Bundesregierung darf nicht riskieren, die Betriebe und Unternehmen in dieser Extremphase mit immer neuen Vorgaben und weiterwachsender Bürokratie zu überfordern. Dies gilt auch in Hinblick auf den wichtigen Bereich der Mittelstandsfinanzierung von Banken und Sparkassen. Regulatorische Maßnahmen, die eine Verteuerung der Finanzierung des Mittelstands bewirken, sollten daher vermieden werden. Konkret spricht sich die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand etwa zunächst für eine zeitliche Verschiebung und später für eine deutlich praxisnähere Ausgestaltung des geplanten europäischen Lieferkettengesetzes aus. Die EU muss die hohe Komplexität der heutigen Lieferketten und der aktuellen Krisen- und Kriegssituation in der Ukraine und weltweit sowie die Notwendigkeit der Versorgungssicherheit und den globalen Wettbewerbsdruck berücksichtigen. In seiner derzeit diskutierten Form überfordert ein solches Gesetz viele Mittelständler massiv und bringt sie in große rechtliche Unsicherheiten.

Mit Blick auf die aktuelle Krise sieht die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand die politischen Verantwortlichen in der Pflicht, mit wirksamen Maßnahmen die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Der Mittelstand in Deutschland ist bislang vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, gerät allerdings an seine Belastungsgrenze. Die Bundesregierung muss jetzt ihren Beitrag zu einem kraftvollen Weg durch die Krise leisten.

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